Ernüchternde Bilanz von EU-Flüchtlingsprogramm

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Das umstrittene Relocation-Programm zur Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU läuft aus. Abgesehen von den beiden Verweigerern Polen und Ungarn sowie Tschechien ist kein EU-Staat seinen Verpflichtungen so wenig nachgekommen wie Österreich.

Nach Zahlen der EU-Kommission haben die Mitgliedsstaaten nur 26,3 Prozent der vorgeschriebenen Ziele des umstrittenen Relocation-Programms erfüllt. Verheerend ist die Bilanz für Österreich, das nur 15 statt 1953 Flüchtlingen (0,8 Prozent) aufgenommen hat.

Das anlässlich der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 von Österreich mitbeschlossene Programm sollte die besonders betroffenen Staaten Italien und Griechenland entlasten. Es war auf zwei Jahre befristet. Vom ursprünglichen Ziel, wonach die EU-Staaten 160.000 Flüchtlinge aus den beiden Mittelmeerländern aufnehmen sollten, blieb nach mehreren EU-Ministerbeschlüssen noch eine rechtlich verbindliche Zahl von 98.255 Flüchtlingen übrig.

Verteilung von Flüchtlingen auf EU-Länder
Verteilung von Flüchtlingen auf EU-LänderAPA

Tatsächlich wurden aber nur 25.886 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland übernommen, wobei 2693 Personen von den Nicht-EU-Staaten Norwegen, Schweiz und Liechtenstein übernommen wurden, die sich freiwillig am Relocation-Programm beteiligten.

Malta erfüllt die Quote

Von den EU-Staaten konnte nur Malta seine Quote erfüllen: 148 Flüchtlinge wurden aufgenommen, 131 hätten es sein sollen. Beinahe erfüllt hat die Vorgaben Finnland (1.951 von 2.078) und Irland (552 von 600). Alle anderen EU-Staaten liegen zum Teil deutlich unter den Zielen.

Abgesehen von den beiden Verweigerern Polen und Ungarn sowie Tschechien (12 von 2691 Flüchtlinge) ist kein EU-Staat seinen Relocation-Verpflichtungen in so geringem Maß nachgekommen wie Österreich. Selbst die Slowakei, die vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Umverteilung der Flüchtlinge geklagt hatte, hat mehr Flüchtlinge aufgenommen (16 von 902) als Österreich.

Skandinavische Musterschüler

Immerhin gibt es noch einige Staaten, die sich fest zur Erfüllung der Quote verpflichtet haben. Schweden, Estland, Lettland und Litauen wollen mehr Flüchtlinge aufnehmen als "vorgeschrieben", ihre Quoten annähernd erfüllen wollen Portugal (2618 von 2951), Luxemburg (470 von 557), Slowenien (434 von 567), Zypern (205 von 320) und Bulgarien (970 von 1.302).

Amnesty International übte am Montag scharfe Kritik an der mangelnden Umsetzung der Relocation-Verpflichtungen. "Die EU-Staaten haben komplett versagt und drücken sich vor ihrer Verantwortung. Sie lassen tausende Asylwerber*innen in Italien und Griechenland im Stich", sagte Iverna McGowan, Direktorin des EU-Büros bei Amnesty International. Sie wies darauf hin, dass das Relocation-Programm "kein Lippenbekenntnis, sondern rechtlich verpflichtend" sei.

Österreich hat im Zuge der Aufnahme von mehreren zehntausend Migranten während der Flüchtlingskrise 2015/16 bei der Europäischen Union erwirkt, vorübergehend aus dem Relocation-Programm ausgenommen zu werden. Dieser Aufschub lief jedoch im März 2017 aus. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erteilte dem österreichischen Wunsch nach einer Verlängerung der Ausnahme im April eine Absage, woraufhin Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) gegen scharfe Kritik der SPÖ die Aufnahme von 50 Flüchtlingen aus Italien zusagte. Am 24. August - fünf Wochen vor dem Auslaufen des Programms - trafen 15 Flüchtlinge aus Eritrea und Syrien, die von Italien überstellt wurden, am Wiener Flughafen ein.

(APA)

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