25. September

Merkels Strafe, die blaue Freude, die überraschenden Elefanten

Guten Morgen! Vorher Deutschland, dann die Elefanten und die Elefantenjungen.

Gestern wählte Deutschland einen neuen Bundestag, in dem es für Angela Merkel sehr schwierig werden wird, eine tragfähige Regierungsmehrheit zu bilden. Die SPD geht nach ihrer schweren Niederlage beleidigt in Opposition. Eine solche Entscheidung schon am Wahlsonntag zu verkünden, ohne mit Merkel über eine mögliche Zusammenarbeit auch nur gesprochen zu haben, zeugt von der Verantwortung gegenüber Staat und Gesellschaft.

Nichtsdestoweniger: Merkel hat auch massiv verloren. Dass sie nun eine Koalition mit den völlig ungleichen Partnern Grüne und Liberale bilden muss, ist eine harte Strafe des Wählers. Aber die FDP hat schon einige Male bewiesen, dass sie die Regierungsbeteiligung liebt und die Oppositionsrolle hasst. Christian Ultsch über Merkels Versagen: „Mit zwei Jahren Verspätung präsentierten die deutschen Wähler ihre Rechnung für die Flüchtlingskrise. Es ist allein dieses Thema, das die Alternative für Deutschland so stark gemacht hat. In einem anderen politischen Umfeld wären die Rechtsnationalisten angesichts ihrer eklatanten Führungsschwäche und ihrer wiederkehrenden Grabenkämpfe längst auf dem Misthaufen der Geschichte gelandet. Doch der anhaltende Unmut über Angela Merkels Politik der offenen Grenzen und die Massenzuwanderung hat dieser bereits todgeweihten Anti-Euro-Bewegung neues Leben eingehaucht.“

Erstmals zieht also mit der Alternative für Deutschland eine Partei in den deutschen Bundestag ein, die (weit) rechts von der CDU-CSU steht und die mit rechtsextremen, hetzerischen Aussagen und Aktionen auffällt. In der ersten Aussage erklärte Alexander Gauland gestern: „Wir werden Angela Merkel jagen.“ Bisher hätte ich blind den Befund unterschrieben, die FPÖ sei weit gemäßigter und reifer als die AfD. Doch offenbar habe ich mich geirrt. Zumindest lässt das folgende Reaktion zu. Harald Vilimsky, freiheitlicher Delegationsleiter im Europaparlament und FPÖ-Generalsekretär, kommentierte den Erfolg der rechtspopulistischen „Alternative für Deutschland" auf Twitter wie folgt: „AfD großer Sieger auf Platz 3! Herzliche Gratulation aus Wien!"

Nur zur Erinnerung: Die FPÖ ist auf dem Sprung als Juniorpartner in diese nächste österreichische Regierung – entweder mit der ÖVP oder mit der SPÖ. Die Variante ÖVP mit dem Juniorpartner der burgenländischen Roten wäre vielleicht doch nicht so schlimm und abwegig wie gedacht.

Die gestrige erste Elefantenrunde auf Puls4 erlaubte einige interessante Einblicke in den Umgang der Spitzenkandidaten miteinander und ihrer Performance. Fast alle Kandidaten hatten – bis auf Strolz – nur einen gemeinsamen Feind: Sebastian Kurz.

Deutschland war leider überhaupt kein Thema, das wirkte ein wenig provinziell, bedenkt man die Bedeutung Deutschlands für Österreich.


Hier eine kurze Einschätzung der Kandidaten, völlig subjektiv wie immer:

Matthias Strolz, das Rumpelstilzchen der Republik, war zuvor wieder in den Zaubertrankkessel gefallen und griff fast alle anderen Herren gleichmäßig an. (Ein paar Gläser daraus hätte er eventuell Christian Kern spendieren können.) In den wirtschaftspolitischen Fragen gab Strolz mitunter den Flügeladjutanten für Kurz. Aber er schlug sich wacker. Strolz.

Kurz, der Kronprinz, stolperte inhaltlich nicht, wie die SPÖ (und alle anderen) erhofft hatten. Die harten Angriffe Heinz-Christian Straches überraschten ihn fast, er parierte sie einigermaßen. Das fiel ihm bei Peter Pilz nicht ganz so leicht. Anfangs souverän, dazwischen schwächer, am Schluss wieder sehr präsent und firm.

Christian Kern, der genervte berufstätige Vater, wirkte nicht nur mitunter leicht gelangweilt und betonte immer wieder, dass alle anderen in der Runde die Themen zu einfach formulieren und nichts verstehen. So gemein! Eine Elefantenrunde ist leider keine Managementsitzung bei den ÖBB, aber zum Glück auch keine SPÖ-Wahlkampf-Teambesprechung. Inhaltlich war er präzise, der Kampfgeist fehlte mitunter. Die Scheinwerfer waren ihm zu heiß.

Ulrike Lunacek, die kluge Großtante aus Brüssel, war angesichts der Krise ihrer Partei erstaunlich entspannt, fast locker, wenn es darum ging, Kurz und die anderen zu rempeln. Nur Pilz ignorierte sie verständlicherweise geflissentlich. Ging insgesamt aber fast unter. Schade.

Peter Pilz, der zornige Oheim der 68er, war einmal mehr der Meister des gut formulierten, langsam vorgetragenen Populismus: Millionäre, Konzerne und Spekulanten zahlen keine Steuer, sagte der Mann etwa ernsthaft. Mehr Selbstdarstellung und Unterhaltungsprogramm geht in einer TV-Sendung nicht. Der Mann ist ein perfekter Mime - politisch blieb es über weite Strecken diffus - und glaubt an die gepflegte Weltverschwörung. Der Innenminister arbeitet also für Erdoğan. Man rufe die CIA!

Heinz-Christian Strache, der Altgladiator, hatte viel Kreide zu sich genommen und wirkte über weite Strecken reifer und/oder saturierter und/oder müder als früher bei Wahlkämpfen. Die Jugendlichkeit Kurz’ brachte ihn in Rage, und er vermisste schmerzlich, nicht das Feindbild der Runde zu sein. Mein Mitleid!

Der Satz des Abends kam von Puls4-Moderatorin Corinna Milborn. Zu Heinz-Christian Strache: „Sie wollen ernsthaft über Korruption sprechen?“ Die Frage und das Johlen des Publikums waren zwar lustig und verständlich, aber live auf Sendung wirkte das von einer sonst hoch professionellen Kollegin nicht gerade unparteiisch. Sondern klang nach schwerer Schlagseite. Das war es dann mit meiner Puls4-TV-Einladung. Aber ich muss ohnehin immer schreiben.

Schönen Montag und gute Woche.

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