Carsten Spohr meisterte den Germanwings-Crash und verpasste der AUA-Mutter eine neue Strategie. Dazu passt Air Berlin perfekt.
Frankfurt/Wien. Eine „Mischung aus Leistung, Timing und Glück“ – so beschrieb Carsten Spohr einst die Faktoren, die eine Karriere ausmachen. Was er damals nicht erwähnte, aber seither als Boss der Lufthansa mehrfach bewies: starke Nerven. Die und viel Empathie bewies Spohr, als 2015 ein Pilot eine Germanwings-Maschine zum Absturz brachte und 150 Menschen in den Tod riss.
Nerven zeigte der aus dem Ruhrgebiet stammende Wirtschaftsingenieur auch am vergangenen Mittwoch, als er beim Lufthansa-Sommerfest betont entspannt auftrat. Immerhin stand die Entscheidung über die Zukunft der Air Berlin unmittelbar bevor. Für Lufthansa laufe alles super, verkündete der 51-Jährige. Und legte in Richtung Entscheidungsgremium noch ein Schäufelchen nach: Seine Billigtochter Eurowings wachse auch ohne Air Berlin. Konsequent.
Hoch gepokert und gewonnen: Spohr, der seine Verkehrspilotenlizenz bei der Lufthansa erworben hat und seit 1994 im Luftfahrtkonzern arbeitet, scheint am Ziel zu sein. Vorerst zumindest. Denn der nicht nur als konsequent, sondern auch als schlagfertig und humorvoll bekannte Manager will auch Teile der bankrotten Alitalia für die Lufthansa übernehmen.
Deutschland, Italien – und dann? Spohr hat ein klares Ziel: Die Lufthansa soll nicht nur Nummer eins in Europa sein (an Passagieren hat ihr die Ryanair diesen Rang abgeluchst). Die Airline mit dem Kranich im Logo soll auch an Profitabilität ihresgleichen suchen. Da ist Spohr schon einiges gelungen, was allein der Aktienkurs widerspiegelt, der am Montag ein 16,5-Jahreshoch erreicht hat. Als er 2014 als Konzernchef antrat, kippte er gleich einmal das Gewinnziel seines Vorgängers, Christoph Franz. Dann folgte eine Neuausrichtung der Strategie: Neben den Premium-Airlines Lufthansa, Swiss und AUA wurde Eurowings als Billigtochter etabliert, die Ryanair und EasyJet Konkurrenz macht.
Das Wagnis ging bisher auf: Die Tochter wächst deutlich schneller als die Mutter. Der Konflikt mit den Gewerkschaften, vor allem jener der Piloten, die gegen Gehaltseinbußen mehrfach gestreikt haben, ist beigelegt. Jetzt könnte die Air Berlin als Turbo für Eurowings wirken. Wenn der Plan aufgeht, kann sich Spohr rühmen, dem Konzern eine neue Zukunftsperspektive gegeben zu haben. (eid)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2017)