Medizinischer Hanf: Soll Cannabis freigegeben werden?

Cannabis in Pflanzenform darf in Österreich zu medizinischen Zwecken weder angebaut noch konsumiert werden. Dafür wisse man noch zu wenig, heißt es. Erlaubt sind nur synthetische Präparate.
Cannabis in Pflanzenform darf in Österreich zu medizinischen Zwecken weder angebaut noch konsumiert werden. Dafür wisse man noch zu wenig, heißt es. Erlaubt sind nur synthetische Präparate.(c) REUTERS (DAVID MCNEW)
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Experten fordern die Freigabe von Cannabisblüten zur medizinischen Verwendung. Eine Umfrage ergab dazu eine Zustimmung – aber auch eine klare Ablehnung einer generellen Legalisierung.

Wien. In dieser Runde scheint die Sache klar, wie könnte es angesichts einer solchen Geschichte viel anders sein: Gisela Bors, 58, wurde mit Morbus Wilson geboren. Seit diese Erbkrankheit, bei der sich Kupfer im Körper ablagert, vor 30 Jahren diagnostiziert wurde, ist es ihr sukzessive schlechter gegangen: Vor zwei Jahren, da hatte sie sämtliche konventionellen oder alternativen Therapien hinter sich, konnte sie kaum gehen, nicht sprechen, keinen Stift halten und verbrachte ihre Tage im Bett. Heute sitzt sie auf einem Podium, kann gehen, schreiben und erzählen, dass sie das der Therapie mit Dronabinol und Cannabidiol (CBD) verdanke. Sie erzählt ihre Geschichte neben Otto Lesch, dem Präsident der Gesellschaft für Suchtmedizin und dem Wiener Arzt Kurt Blaas, die sich, unterstützt von einer Studie des Meinungsforschers Peter Hajek, für die Zulassung von Cannabisblüten als Medizin aussprechen.

1 Cannabis gilt als Reizthema: Wie steht die Bevölkerung zur Freigabe von Medizinalhanf?

Cannabis als Medizin wird mehrheitlich positiv gesehen, das geht aus der Hayek-Umfrage hervor. Auftraggeber der Studie sind mit der Flowery Field GmbH und der Arge Cannabis als Medizin Befürworter der Freigabe. Laut Studie schätzt eine Mehrheit der Befragten die Wirkung von medizinischem Cannabis positiv ein. Je rund 60 Prozent sind aber für eine strikte Regelung der Abgabe, die nur in Apotheken und auf Rezept erfolgen soll. Zwar stimmt eine Mehrheit der Abgabe von Cannabisblüten in Apotheken (wie in Deutschland) zu, auch eine Verwendung in Alten- und Pflegeheimen (gegen Depressionen oder Schmerzen) sieht eine Mehrheit positiv. Eine generelle Legalisierung wurde von 64 Prozent abgelehnt, ebenso das Recht auf Eigenanbau zu medizinischen Zwecken.

2 Wie sieht aktuell die rechtliche Lage aus? Wer darf welche Cannabisprodukte konsumieren?

Cannabis in Pflanzenform darf in Österreich nicht medizinisch eingesetzt werden, erlaubt sind nur synthetische Extrakte, also Präparate mit den Inhaltsstoffen Tetrahydrocannabinol (THC) oder Cannabidiol (CBD). Otto Lesch von der Uniklinik für Psychiatrie im AKH kritisiert, natürliches Cannabis wirke besser, da die Pflanze mehr als 500 Inhaltsstoffe enthalte, also mehr als die verfügbaren Medikamente. Er fordert, wie in Deutschland Blüten für medizinische Zwecke freizugeben. Der Anbau zu medizinischen Zwecken ist in Österreich ebenso untersagt, ausgenommen ist die staatliche Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages), die legal Hanf anbaut.

3 Und wie funktioniert der medizinische Konsum (auch illegalerweise) heute in der Praxis?

In der Praxis geben Patienten mit starken Schmerzen, mit Krebs, MS, Epilepsie oder Asthma, darauf oft wenig und versorgen sich selbst durch Eigenanbau oder aus illegalem Handel. Lesch und Blaas erzählen, Patienten, bei denen Medikamente nicht wirken, würden auf Cannabisblüten (konsumiert als Extrakt, vaporisiert, als Tee oder geraucht) ansprechen. Der illegale Konsum mag auch an den Kosten liegen: Dronabinol kostet für einen Tumorpatienten 500 bis 600 Euro im Monat, in 30 Prozent der Fälle, so Blaas, würde die Krankenkasse zahlen. CBD kostet 800 bis 1000 Euro im Monat, das werde nur in den seltensten Fällen von Kassen übernommen. Ärzte berichten von einem „Canossagang für Patienten“. Cannabisblüten kämen billiger: In Deutschland kosten diese nun 70 Euro je Gramm in der Apotheke.

4 Wie steht es um die politische Debatte um eine weitere Freigabe in Österreich?

Hier herrscht Zurückhaltung. Die Grünen sprechen sich als einzige für eine Abgabe von Cannabisblüten aus, die Neos fordern eine Debatte über einen professionellen und leistbaren Einsatz. Die Politik hinke bei diesem Thema hinterher, so die Neos. Die FPÖ sieht das kritisch: Bisher gebe es dazu nur vorklinische Studien, eine Freigabe sei so nicht sinnvoll, so Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch-Jenewein. Von Regierungsseite ist man zurückhaltend: Aus dem SPÖ-geführten Gesundheitsressort heißt es, es seien zu viele Fragen offen, um über eine Freigabe der Blüten zu sprechen, man beobachte nun die Erfahrungen in Deutschland.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2017)

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