Pjöngjangs Emissär traf gestern zu Gesprächen in Moskau ein. Russland will Kim davon überzeugen, dass weitere Eskalation unproduktiv wäre. Als Nachbarstaat ist man besorgt.
Moskau/Pjöngjang. Russland wird als Vermittler in der Krise auf der koreanischen Halbinsel aktiv. Am gestrigen Dienstag wurde ein Emissär des nordkoreanischen Außenministeriums in Moskau zu Gesprächen erwartet. „Wir bemühen uns wenigstens, die Situation in eine akzeptable Richtung zu bringen“, sagte der Leiter der Abteilung für Rüstungskontrolle im russischen Außenministerium, Michail Uljanow, zur Nachrichtenagentur Interfax. Jede militärische Lösung bedeute eine Katastrophe. Auch Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow erklärte, dass die Zunahme von Spannungen auf der koreanischen Halbinsel mit unabsehbaren Konsequenzen verbunden sei.
Der Konflikt zwischen den USA und Nordkorea hat sich in den letzten Tagen erneut gefährlich gesteigert: Pjöngjang verstärkte offenbar die Verteidigung an seiner Ostküste. Das Land verlege Flugzeuge dorthin und ergreife andere Maßnahmen, meldete die südkoreanische Agentur Yonhap gestern. Zuvor hatte Nordkorea bereits mit einem Abschuss amerikanischer Langstreckenbomber gedroht. Dies könne auch außerhalb des eigenen Luftraums geschehen. Zuvor waren US-Bomber im Luftraum östlich von Nordkorea patrouilliert.
Kriegserklärung sei „absurd“
Außenminister Ri Yong-ho hatte im Anschluss an die UNO-Vollversammlung von einer Kriegserklärung der USA gegen das kommunistische Land gesprochen. Eine Interpretation, die von den USA dementiert wurde. „Wir haben Nordkorea nicht den Krieg erklärt“, beruhigte Trumps Sprecherin Sarah Sanders. Diese Annahme sei „absurd“. Stein des Anstoßes für Pjöngjang ist offenbar ein Tweet des US-Präsidenten. Donald Trump hatte am Wochenende geschrieben, Machthaber Kim Jong-un und seine Regierung würden „nicht mehr lange hier sein“.
Das US-Verteidigungsministerium erklärte, Trump werde mit Optionen versorgt, wie man mit dem Staat umgehen könnte, sollten die Provokationen anhalten.
Nordkorea verstößt mit seinen Atom- und Raketentests seit Jahren gegen UN-Resolutionen. Zuletzt hatte das international weitgehend isolierte Land mit dem Test einer Wasserstoffbombe über dem Pazifik gedroht.
Wie andere Staaten auch steht für den Kreml eine offizielle Anerkennung Nordkoreas als Atommacht außer Frage. Doch Russland verfügt neben Nordkoreas Haupthandelspartner Peking den größten internationalen Einfluss auf Machthaber Kim. In der Ära des Kalten Krieges hatten die beiden Nachbarstaaten freundschaftliche Beziehungen. Kim Il-sung diente in der Roten Armee. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist das Verhältnis abgekühlt. Wladimir Putin besuchte Pjöngjang zuletzt im Jahr 2000. Kim Jong-uns Vater hat die Russische Föderation mehrfach besucht, zuletzt traf er 2011 mit dem bekannten Spezialzug in Ulan-Ude ein, wo er den damaligen Staatschef Dmitrij Medwedjew traf.
Dmitrij Trenin, Experte am Moskauer Carnegie-Institut, bescheinigt Moskau in der „New York Times“ ein „eindeutiges und unmittelbares Interesse die aktuelle Krise zu deeskalieren“. Immerhin liege die Großstadt Wladiwostok nur etwa 100 Kilometer Luftlinie von der nordkoreanischen Grenze entfernt. Die von Trenin als produktiv beurteilte Vermittlungsmission habe das Potenzial, Pjöngjang davon überzeugen, dass die notwendige Drohkulisse aufgebaut und jede weitere Eskalation kontraproduktiv sei. Locken könne Moskau auch mit wirtschaftlicher Kooperation. (ag./som)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2017)