Hypo Alpe Adria: Pleite, die keiner kommen sehen wollte

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Der Zusammenbruch kann eigentlich niemanden überrascht haben: Seit vier Jahren ist die Bank im Gerede. Alle jetzt hochgekommenen Verfehlungen sind längst bekannt – aber niemand wollte das bisher sehen und hören.

Als die Hypo Alpe Adria in der Nacht von Sonntag auf Montag nach einem 17-stündigen Verhandlungsmarathon vollverstaatlicht wurde, taten viele erstaunt: Wie konnte es sein, dass eine Bank, von der ihre Eigentümer immer in den höchsten Tönen geredet hatten, plötzlich, binnen weniger Monate den Bach hinunterging?

Ganz einfach: So war es nicht. Die Bank war seit ihren schweren Swap-Verlusten 2004 ein Wackelkandidat. Spätestens seit 2006, als die Swap-Verluste samt dem Vertuschungsversuch per Bilanzfälschung aufflogen, war auch bekannt, dass die Bank ihre schnelle Expansion auf dem Balkan mit äußerst dubiosen Geschäften erkauft hatten. Es gab Ermittlungen der kroatischen Behörden (samt Rechtshilfeansuchen) wegen Geldwäsche (in Zusammenhang mit der Affäre Zagorec), es gab einen Prozess gegen die Vorstände Kulterer und Striedinger wegen Bilanzfälschung (der mit Verurteilungen endete), es gab Anzeigen bei der Finanz, es gab Prüfungen durch den Rechnungshof und die Nationalbank und es gab unzählige Medienberichte über all diese Dinge. Es gab einen Untersuchungsausschuss im Landtag und seit 2007 (!) liegt ein „Kontrollbericht“ der Kärntner Grünen vor, in dem alles, was die Staatsanwaltschaft jetzt langsam zu interessieren beginnt, bereits aufgelistet ist.


Vertuscht und zugedeckt. Aber niemand wollte das hören und sehen. Es wurde vertuscht und zugedeckt. Die meisten Kärntner Parteien wurden ruhiggestellt, indem man sie an einem Zipfelchen der Macht beteiligte und Sonderdotierungen der Parteienförderung ausschüttete. Offenbar bemerkte auch eine mit einem Bankenkriminalfall berühmt gewordene Richterin nichts davon (oder wollte es nicht bemerken): Justizministerin Claudia Bandion-Ortner gab in der Vorwoche bekannt, die Staatsanwaltschaft habe Ermittlungen aufgrund der „Medienberichte der vergangenen Wochen“ aufgenommen.

Begonnen hat es aber, wie gesagt, schon lange davor. Die Landesbank schlitterte in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts in immer gewagtere Spekulationen. 2004 begannen Swap-Geschäfte dramatisch schiefzulaufen. Der Verlust von mehr als 300 Millionen Euro drohte, die Bank bilanziell in Schieflage zu bringen. Gleichzeitig schlitterte das Land Kärnten durch die aufwendige Eventpolitik des damaligen Landeshauptmanns Jörg Haider in ernste Probleme.

Beide Probleme wurden auf eigenartige Weise gelöst: Die Verluste sollten durch eine – wie sich herausstellte nicht zulässige – Bilanzierungsmethode verkleinert und auf zehn Jahre aufgeteilt werden. Was den Vorständen Kulterer und Striedinger später Verurteilungen wegen Bilanzfälschung einbrachte. Und das Land wollte sich an der Bank als Vorgriff auf einen späteren Börsengang per Wandelanleihe bedienen.

Diese Wandelanleihe (500 Mio. Euro) wurde 2005 tatsächlich gegeben, obwohl damals schon feststand, dass ein Börsengang (nicht nur wegen der intern bereits bekannten Swap-Verluste) nicht möglich sein werde. Mit dem Geld wurde der Zukunftsfonds dotiert.

Anfang 2006 begannen die windigen Geschäfte auf dem Balkan aufzufliegen: Die kroatische Nationalbank und die Staatsanwaltschaft Zagreb vermuteten Geldwäsche im Umkreis der Hypo-Geschäfte mit dem kroatischen Exgeneral (und wegen Veruntreuung verurteilten) Vladimir Zagorec. Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt verliefen im Sand. Gleichzeitig wurden Bilanzfälschungen zum öffentlichen Thema.

Und: Die „Privatisierungsraubzüge“ der Hypo in Kroatien wurden bekannt. Die Hypo hatte nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens in großem Stil sehr billige Grundstücke am Meer aufgekauft und deren Wert danach mittels Umwidmungen durch lokale Behörden gigantisch gesteigert. Beispielsweise wurden Grundstücke in Istrien um fünf bis sieben Euro pro Quadratmeter erworben. Nach der Umwidmung waren sie dann 150 Euro wert. In Kroatien wurden mehrere Politiker und Manager (unter anderem des Privatisierungsfonds) in Zusammenhang mit diesen Geschäften unter Korruptionsverdacht verhaftet. Der damalige Staatspräsident Stjepan Mesi? sprach von der „größten Korruptionsaffäre, die sich bei uns jemals ereignet hat“. Die österreichischen Behörden ließ das kalt.

Bekannt wurde damals auch, dass sehr viele der in Südosteuropa an dubiose Geschäftspartner vergebenen Kredite nicht besichert waren. Wozu denn auch: Die Haftung übernahm das Land Kärnten. In der Spitze machten diese Haftungen bis zu 25 Milliarden Euro aus. Jetzt sind es immer noch mehr als 18 Milliarden.


„Obertitel Skandalbank“. Wie kritisch die Situation damals war, lässt man am besten einen Insider beschreiben: Tilo Berlin, der später an der Hypo recht gut verdiente, sagte im Kärntner Untersuchungsausschuss im Juni 2007: „Ich darf daran erinnern, dass die Hypo zu diesem Zeitpunkt überall als Skandalbank bezeichnet wurde, das war der Obertitel in den österreichischen Medien.“

Berlin sprang dann ein, als der Hut für das Land erneut zu brennen begann: 2008 wäre die Rückzahlung der Wandelschuldverschreibung fällig gewesen. Das Land hatte die 500 Millionen aber einfach nicht. Gespräche über den Einstieg von Finanzinvestoren scheiterten. Berlin trieb schließlich eine österreichische Investorengruppe auf, die dem Land Hypo-Anteile abkaufte– und so die Rückzahlung der Wandelanleihe ermöglichte. Sonst wäre Kärnten schon 2008 pleite gewesen.

Berlin und seine Investoren konnten dann allerdings die BayernLB (in der Berlin-Freund Schmidt am Ruder saß) dazu bewegen, die Anteile zu übernehmen. Der dabei lukrierte Gewinn für die Investoren von 140 Millionen Euro sowie der angeblich überhöhte Kaufpreis, den die Bayern bezahlt haben, beschäftigt derzeit die Staatsanwaltschaft. Die in München.

Die Katze im Sack haben die Bayern freilich nicht gekauft: Der damalige bayerische Finanzminister Kurt Faltlhauser beklagte sich im Juli 2007, dass die österreichischen Finanzaufseher (gemeint war der Prüfbericht der Nationalbank 2007) in der bayerischen Neuerwerbung neun wesentliche Gesetzesverletzungen gefunden hatten. Freilich: In Österreich blieben diese Verletzungen ohne besondere Konsequenzen– und Faltlhauser redete sich seine neue Bank schön: Die bekrittelten Gesetzesbrüche seien „ganz alte Klamotten“.


Hilfe dank Staatsräson. So ging die Bank, deren Balkankredite immer wackeliger wurden und die dem Pleitebundesland Kärnten immer stärker aushelfen musste, unter den Augen der österreichischen Behörden und der deutschen Haupteigentümer den Bach hinunter. Die letzte Chance auf eine halbwegs geordnete Sanierung gab es Ende 2008: Die Hypo musste sich um 900 Millionen Euro Staatsgeld anstellen. Die sie bekam – aufgrund ihrer angeschlagenen Lage aber nicht bekommen hätte dürfen. Möglich wurde das durch ein sehr freundliches Nationalbankgutachten, dem Beobachter „Staatsräson“ als wahrscheinlichstes Motiv unterstellen: 2008 war die Bankenkrise auf dem Höhepunkt, der Zusammenbruch einer Großbank hätte nicht abschätzbare Folgen gehabt.


Jubelnd in den Untergang. Allerdings: Danach geschah – nichts. Die Bank machte einfach weiter wie bisher. Das Land Kärnten (nur mehr 12-Prozent-Eigentümer, aber Hauptauslöser der Misere) gab Jubelparolen aus. Nicht nur Politiker des BZÖ: Landesholding-Aufsichtsratschef Josef Martinz (ÖVP) machte der Realitätsverdrängungsaktion die Mauer (und hat, wenn man seine öffentlichen Aussagen richtig interpretiert, den Zustand der Bank wohl heute noch ebenso wenig verstanden wie Landeshauptmann Dörfler).

Fazit: Im Dezember 2009 musste die Bank notverstaatlicht werden. Aber: Überraschend ist das wirklich nicht gekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2009)

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