Siemens Alstom bietet chinesischem Zug-Riesen Paroli

FILE PHOTO: A scale model of an AGV high speed train with the logo of Alstom is seen in Saint-Ouen, near Paris.
FILE PHOTO: A scale model of an AGV high speed train with the logo of Alstom is seen in Saint-Ouen, near Paris.REUTERS
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Einigung am Dienstagabend: Die Fusion von Alstom mit der Zugsparte von Siemens soll einen europäischen „Airbus der Schiene“ schaffen, der Chinas übermächtige Konkurrenz abwehrt.

Der Elektrokonzern Siemens legt sein Zuggeschäft mit dem französischen Konkurrenten Alstom zusammen. Geplant sei eine "Fusion unter Gleichen", teilte Siemens am späten Dienstagabend nach einer außerordentlichen Sitzung des Aufsichtsrates in München mit und bestätigte damit entsprechende Informationen aus informierten Kreisen.

Das kombinierte Unternehmen werde seinen Sitz im Großraum Paris haben. Siemens wird an dem Gemeinschaftsunternehmen eine Mehrheit von knapp über 50 Prozent halten. "Dieser deutsch-französische Zusammenschluss unter Gleichen sendet in vielerlei Hinsicht ein starkes Signal", sagte Siemens-Chef Joe Kaeser der Mitteilung zufolge. "Wir setzen die europäische Idee in die Tat um und schaffen gemeinsam mit unseren Freunden bei Alstom auf lange Sicht einen neuen europäischen Champion der Eisenbahnindustrie."

Mit dem Schritt reagieren die Unternehmen auf den Wettbewerbsdruck, der nach dem Zusammenschluss der beiden größten chinesischen Zughersteller zum Giganten CRRC massiv gewachsen war. Kaeser hatte deshalb in der Vergangenheit immer wieder auf die Notwendigkeit für eine Zusammenarbeit in der europäischen Branche hingewiesen.

Im Zuge der Fusionsentscheidungen einigten sich Unternehmen und Arbeitnehmervertreter auch auf Standortgarantien für vier Jahre, auf einen Kündigungsverzicht für mindestens vier Jahre sowie auf den Erhalt der Mitbestimmung und die Absicherung der Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in Deutschland und Frankreich, wie die IG Metall mitteilte.

Als weiterer potenzieller Partner für Siemens war in den vergangenen Monaten auch der kanadische Flugtechnik- und Bahnanbieter Bombardier gehandelt worden, der aber mitten in einem Stellenabbau steckt.

Das Zuggeschäft von Siemens und Alstom ist ähnlich groß, zusammen kommen sie auf einen Umsatz von rund 15,3 Milliarden Euro und etwa 62.000 Beschäftigte in dem Bereich weltweit. Der Zusammenschluss war bereits vor rund drei Jahren im Gespräch, als sich Siemens gegen den US-Konzern General Electric einen Übernahmepoker um Alstom geliefert hatte.

Hohe Synergien erwartet

Zu möglichen Konsequenzen für die Arbeitsplätze äußerten sich Siemens und Alstom nur vage. "Die Geschäftsaktivitäten der beiden Unternehmen ergänzen sich weitgehend", hieß es in der Mitteilung nur. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire wurde deutlicher: Siemens habe unter anderem zugesagt, Arbeitsplätze und Werke in Frankreich zu erhalten. Siemens-Chef Joe Kaeser hatte der Nachrichtenagentur Reuters bereits im Vorfeld gesagt, eine Fusion im Bahngeschäft habe kaum einen Arbeitsplatzabbau zur Folge. "Mobilität ist ein Wachstumsfeld." Siemens und Alstom haben zusammen Aufträge für mehr als 61 Milliarden Euro in den Büchern.

Der Zusammenschluss soll die Kosten in vier Jahren um 470 Millionen Euro senken. Zuletzt lag der Gewinn vor Steuern und Zinsen (Ebit) aufaddiert bei 1,2 Milliarden Euro.

Le Maire erklärte, Frankreichs Regierung unterstütze die Fusion, weil sie die europäische Industrie stärken wolle. Siemens und Alstom brauchen den Rückhalt der Politik, weil der Zusammenschluss von den EU-Wettbewerbsbehörden unter die Lupe genommen werden dürfte. Kaeser hofft, dass die EU-Kommission ins Kalkül zieht, dass die Chinesen massiv nach Europa drängen. "Der Weltmarkt hat sich in den vergangenen Jahren erheblich gewandelt. Ein marktbeherrschender Akteur in Asien hat die globale Marktdynamik verändert", begründete er die Fusionspläne am Dienstag. "Gleichzeitig wird die Digitalisierung die Zukunft der Mobilität prägen." Themen wie die Signaltechnik, in der sie eine besonders große Rolle spielt, will Siemens Alstom in Berlin bündeln.

Alstom schüttet Geld aus

Siemens bringt nicht nur die Bahn-Sparte "Mobility" in den neuen Konzern ein, sondern auch das Geschäft mit Zug-Antrieben, das bisher zur Industrie-Sparte gehört. Trotzdem hätte Alstom, der an der Börse rund sieben Milliarden Euro wert ist, in der Fusion ein Übergewicht. Die Franzosen wollen aber unmittelbar vorher bis zu 1,8 Milliarden Euro an ihre bisherigen Aktionäre ausschütten, zumal ihnen noch rund 2,5 Milliarden Euro aus dem Verkauf der restlichen Anteile an einem Gemeinschaftsunternehmen mit GE in die Kasse gespült werden. Davon profitiert vor allem der Bau- und Medienkonzern Bouygues, der rund 28 Prozent an Alstom hält. Er hat zugesagt, mindestens so lange als Aktionär an Bord zu bleiben, bis die Fusion im Laufe des Jahres 2018 unter Dach und Fach ist. Siemens darf auf Wunsch der französischen Regierung vier Jahre lang nicht auf mehr als 50,5 Prozent aufstocken.

Trotz der Zusagen von Siemens regte sich in Frankreich im Vorfeld Angst vor einem "Ausverkauf" der Industrie des Landes - und des Hochgeschwindigkeitszugs TGV. "Ist das das Ende von Alstom? Wird der TGV deutsch?", fragte der Politiker Eric Woerth von den konservativen Republikanern. Der Generalsekretär des rechtspopulistischen Front National, Nicolas Bay, mahnte auf Twitter: "Die französisch-deutsche Partnerschaft darf nicht zur Auslöschung der französischen Industrie führen!"

Bombardier bleibt allein

Großer Verlierer der Fusion ist der dritte der großen westlichen Bahntechnik-Konzerne: die kanadische Bombardier. Mit ihr hatte Siemens zuerst über einen Zusammenschluss gesprochen, aber in letzter Minute Zweifel an der finanziellen Stabilität des möglichen Partners bekommen. Damit kam Alstom ins Spiel. Bombardier, deren Zugsparte im Wesentlichen aus der ehemaligen deutschen Adtranz besteht, muss nun allein zurechtkommen. Das Unternehmen hat bereits den Abbau von 2200 der 8500 Arbeitsplätze in Deutschland bis 2020 angekündigt.

(APA/dpa/Reuters)

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