Klimagipfel: Flopenhagen, Brokenhagen

(c) Reuters (Ints Kalnins)
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Dänemark ist es als Gastgeberland nicht gelungen, sein Image aufzupolieren. Ganz im Gegenteil: Kopenhagen steht nun für ein inhaltliches und organisatorisches Fiasko.

KOPENHAGEN. Im Kopenhagener Bella Center, in dem sich zwei Wochen lang 20.000Menschen gedrängt haben, sind die Abrisstrupps am Werk. Der riesige Globus auf dem Rathausplatz, während des Klimagipfels das Wahrzeichen des Mottos „Hopenhagen“, gleicht einem Ballon, dem die Luft ausgegangen ist. Ein Bild von Symbolwert: Seit aus dem „fairen, ambitiösen und rechtlich bindenden Klimavertrag“ ein unverbindlicher Minimalkonsens wurde und die internationalen Medien den Gipfelort nicht mehr mit Hoffnung assoziieren, sondern Epitheta wie „Brokenhagen“, „Flopenhagen“ und „Nopenhagen“ kreiert haben, ist im Gastgeberland die Enttäuschung riesengroß.

Um Dänemarks in der Karikaturenkrise angekratztes Ansehen aufzufrischen, hatte der damalige Premier Anders Fogh Rasmussen die für das Weltklima essenzielle COP15-Konferenz nach Kopenhagen geholt. Ein wegweisendes Abkommen sollte mit dem Namen der dänischen Hauptstadt verbunden werden, und die Dänen wollten sich selbst als Vorreiter für die Energiewende ins Schaufenster stellen. Jetzt steht Kopenhagen für Zusammenbruch, Fiasko und Chaos bei der Organisation, obwohl an Letzterem, da es sich um eine UN-Veranstaltung handelte, die Dänen nicht allein die Schuld trifft. Dass neben übernächtigen, streitenden Delegierten auch prügelnde Polizisten die global übertragenden Bilder des Gipfels prägten, war aber hausgemacht.

Eifersüchteleien

Selbst die gewieftesten Unterhändler und die bestgeschulten Diplomaten hätten kein Abkommen an Land ziehen können, wenn zentrale Spieler aus Washington und Peking ihre eigene Tagesordnung durchboxen. Dennoch haben Fehler der dänischen Präsidentschaft maßgeblich zum Debakel beigetragen. Das begann schon mit dem Absprung des erfahrenen Fogh Rasmussen, der lieber Nato-Generalsekretär werden wollte und seinem Nachfolger Lars Løkke Rasmussen die Verantwortung für den Klimagipfel auflastete. Der hatte sich weder für Klimafragen noch für ein internationales Netzwerk interessiert.

Allzu früh gab Rasmussen die Ambition auf einen juridisch bindenden Vertrag auf, allzu eng stimmte Kopenhagen seine Verhandlungslinie auf Washingtons Wünsche ab und missdeutete die Unzufriedenheit der Entwicklungsländer und der entscheidenden Schwellenstaaten wie China und Indien. Dies führte schon zu Beginn des Gipfels zum Eklat, als Afrikas Vertreter aus Protest gegen einen dänischen Entwurf für ein Schlussdokument, an dem sie nicht mitgewirkt hatten, auswanderten. Die Tagungspräsidentin Connie Hedegaard wurde der Arroganz bezichtigt, und schlimmer wurde es, als Lars Løkke Rasmussen selbst den Vorsitz übernahm.

Weder mit der Materie noch der Prozedur vertraut, stammelte er sich in schlechtem Schulenglisch durch die Sitzungen und musste erkennen, dass sein bulliger Stil, der in der dänischen Innenpolitik wirkt, auf internationalem Parkett völlig fehl am Platz ist. Das Kompromisspapier, das die Präsidentschaft ausgearbeitet hatte, kam in den Reißwolf, und als die Verhandlungen die heiße Phase erreichten, waren die Dänen aufs Abstellgleis gedrängt. Der Gipfel der Demütigung kam, als Rasmussen in den letzten Überstunden weder aus noch ein wusste und der Aufforderung Folge leistete, den Vorsitz abzugeben.

Gedemütigter Regierungschef

Statt des Staatsmannes, der im Kreis der Weltelite einen Klimatriumph feiert, bleibt den Dänen das Bild eines hilflosen, überforderten und gedemütigten Ministerpräsidenten verhaftet. Und Hedegaard, die als neu gekürter Star in der EU-Kommission das eigens für sie geschaffene Klimaressort antreten sollte, muss nun, mit dem Gipfelfiasko im Gepäck, sogar die Anhörung im EU-Parlament fürchten.

GIPFELBESCHLÜSSE

Die Erwärmung der Erde soll auf zwei Grad Celsius begrenzt werden.

Eine Finanzhilfe soll es für Entwicklungsländer geben: ab 2020 100 Mrd. pro Jahr.

Eine internationale Prüfung der nationalen Klimaschutzmaßnahmen gibt es nur für jene Länder, die Gelder erhalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2009)

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