Dolmetschausbildungen. Der Bedarf an Simultan-Übersetzern steigt, vor allem in arabischen Sprachen. Weiterbildungen abseits des regulären Studiums der Translationswissenschaft vermitteln spezifisches Fachwissen und füllen Lücken.
Seit der Bibelübersetzung des Kirchenvaters Hieronymus, des am 30. September gefeierten Schutzheiligen der Übersetzer und Dolmetscher, haben sich deren Aufgabengebiete vervielfacht. Sie sind in allen Lebenslagen tätig und werden nach bestimmten Standards ausgebildet – auch außerhalb des klassischen Studiums Translationswissenschaft.
Für Gerichtsdolmetscher etwa sind die Standards durch das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz (SDG) vorgegeben: einwandfreie Beherrschung zweier Sprachen, Dolmetscher- und Übersetzerkompetenzen sowie Rechtskenntnisse, Unbescholtenheit und Bereitschaft, für Gerichte und Polizei zur Verfügung zu stehen. Um in den „Österreichischen Verband der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Dolmetscher“ (ÖVGD) aufgenommen zu werden, müssen sie außerdem Praxis erworben haben. „Wer ein Übersetzer- und Dolmetscherstudium absolviert hat, muss zwei Jahre Berufspraxis nachweisen können, alle anderen fünf Jahre, und zwar auch schriftliche Praxis, sagt ÖVGD-Präsidentin Christine Springer.
Einen Mangel an Gerichtsdolmetschern gebe es derzeit in vielen Sprachen. Da im Jahr 2018 bei vielen Kollegen wieder die in regelmäßigen Abständen erforderliche Rezertifizierung anstehe, würden etliche ihre Tätigkeit beenden – aus Altersgründen und aufgrund der im Vergleich zu früher schlechteren Honorierung.
Für Interessenten bietet der Verband gebührenpflichtige Kurse an: Ein eintägiges „Seminar für Eintragungswerber“, das als Orientierung hinsichtlich der bestehenden Kompetenzen dienen soll, sowie ein jeweils zweitägiges Grund- und Aufbauseminar. In diesen beiden Veranstaltungen werden Dolmetschtechniken sowie Grundlagen des Urkundenübersetzens vermittelt und eine simulierte Gerichtsverhandlung durchgeführt.
Kurzkurs gegen Engpass
Mira Kadric, Professorin am Zentrum für Translationswissenschaft der Uni Wien, bestätigt den notorischen Mangel an Dolmetschern in Sprachen, wie Arabisch, Dari und Farsi, aber auch Türkisch. Kadric leitet den im Vorjahr speziell für diese Sprachen gestarteten Universitätslehrgang „Dolmetschen für Gerichte und Behörden“ des Postgraduate Center der Uni Wien. Die Fluchtbewegungen ab 2015 hätten den Bedarf nach Dolmetschern im Gesundheitssektor, im Bildungswesen und vor Behörden und Gerichten ansteigen lassen. Gleichzeitig seien zahlreiche akademisch vorgebildete Personen nach Österreich gekommen, die für den postgradualen Dolmetsch-Lehrgang sehr gute Voraussetzungen mitbrächten, berichtet Kadric.
Nicht bei der Entscheidung über Schuld und Strafe, doch in nicht minder herausfordernden Situationen sind Laiendolmetscher im Einsatz. An der Universität Innsbruck werden seit einigen Jahren Kurse zur Professionalisierung dieser vielfach ehrenamtlich tätigen Sprachmittler abgehalten. An je sechs Samstagen stehen laut Kursleiterin Elvira Iannone Rollenverständnis und Berufsethik auf dem Programm. „Insgesamt geht es um Vollständigkeit – Wie schaffe ich es, alles zu dolmetschen – und um Transparenz, aber auch um Anregungen zur Selbstreflexion und Vernetzung“. In den sechstägigen Kursen habe man festgestellt, dass die Zeit zum Üben fehle. Aus dieser Überlegung entstand das auf 15 Trainingstage erweiterte, ab 19. Oktober einmalig stattfindende Projektseminar „Wie gedolmetschte Kommunikation gelingt“.
Zusammenarbeit üben
Das Seminar setzt auf eine Form des Rollenspiels und bindet erstmals auch Berufsgruppen ein, die mit Dolmetschern zusammenarbeiten – Polizisten, Sozialarbeiter, Mitarbeiter von Asylbehörden, Psychotherapeuten und Ärzte.
Gut nachgefragt sind die berufsbegleitenden Ausbildungen für Kommunaldolmetschen des „Uni for Life“ Weiterbildungsinstitust der Uni Graz. Der je einsemestrige Basiskurs und Aufbaukurs, soll Teilnehmer in die Lage versetzen, in kommunalen, sozialen und medizinischen Einrichtungen als Sprach- und auch Kulturmittler tätig zu sein. Die Kommunaldolmetsch-Kurse gehen aus einem früheren Universitätslehrgang hervor, der viersemestrig und entsprechend kostenintensiv gewesen sei. Daher habe man das Curriculum adaptiert und auf das heutige dreigliedrige System – Basis-, Aufbau- und (geplanter) Vertiefungskurs – umgestellt, sagt Basiskurs-Leiterin Sonja Pöllabauer.
Der Aufbaukurs widmet sich ausführlich den Einsatzfeldern von Kommunaldolmetschern. Zudem soll laut Leiterin Ursula Stachl-Peier mehr Bewusstsein für professionelles Verhalten entwickelt werden. Weitere Schwerpunkte seien Gedächtnistraining, Wissenserwerbs- und Recherchetechniken sowie Wissensmanagement.
Web: www.gerichtsdolmetscher.at
www.postgraduatecenter.at, www.uibk.ac.at, www.uniforlife.at
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2017)