Ein roter Wahlkampf voller Pannen
In kaum einem Wahlkampf wurden so häufig Dirty-Campaigning-Vorwürfe laut, wie im aktuellen Rennen um das Kanzleramt. Eine Chronologie.

Erstmals tauchen Dirty-Campaigning-Vorwürfe gegen die SPÖ auf. Der international tätige Wahlkampfberater und Experte für Negativ-Kampagnen, Tal Silberstein, würde für die SPÖ Vergangenheit und Privatleben von ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz durchleuchten, heißt es in Medienberichten. Aus der ÖVP gibt es deshalb Kritik an der SPÖ. Bundeskanzler und SP-Vorsitzender Christian Kern bezeichnet die Vorwürfe als "an den Haaren herbeigezogener Unfug".
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SPÖ-Berater Silberstein sorgt weiter für dicke Luft in der SPÖ-ÖVP-Koalition. In einer parlamentarischen Anfrage will die ÖVP vom Regierungschef wissen, ob dem Kanzleramt Kosten für Silberstein entstanden sind. Kern erklärt, dass Silberstein nicht für das Bundeskanzleramt, sondern für die SPÖ tätig ist. (Bild: Blick auf das Bundeskanzleramt)
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Auch die FPÖ schießt sich zusehends gegen die SPÖ und ihren externen Berater Silberstein ein. Generalsekretär Herbert Kickl (Bild) vermutet Silberstein hinter verschiedenen SPÖ-Aktivitäten gegen die Blauen, auch die ÖVP hält ihre Kritik an den Roten aufrecht und weist als Beleg auf verschiedene Facebook-Seiten hin, darunter "Wir für Sebastian Kurz" (mittlerweile offline). Die SPÖ weist die Vorwürfe zurück. Ende Juli wirft SPÖ-Kampagnenmanager Stefan Sengl nach kolportierten Auseinandersetzungen mit Silberstein das Handtuch. Das Wahlkampfteam der SPÖ muss neu aufgesetzt werden.
Die Presse

Mitte August wird Tal Silberstein (Bild) im Zusammenhang mit Korruptions- und Geldwäschevorwürfen gegen einen seiner Geschäftspartner vorübergehend festgenommen. Die SPÖ muss sich von ihrem Berater trennen. Silbersteins Rolle wird zunächst herunter gespielt. Er habe nur Fokus-Gruppen und Umfragen für die SPÖ betreut und erstellt, erklären Wahlkampfleiter und Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler sowie Parteichef Kern.
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Der Kanzler nennt das Silberstein-Engagement inzwischen (in einem auf seiner Facebook-Seite publizierten Video) einen politischen Fehler. "Manchmal hat man ein gutes Händchen, manchmal hat man ein weniger gutes Händchen", wird Niedermühlbichler später einräumen. ÖVP und FPÖ kritisieren weiterhin die dubiosen Praktiken des SPÖ-Wahlkampfberaters. ÖVP-Chef Kurz selbst will auf "Anpatzversuche" nicht reagieren. Niedermühlbichler wirft der ÖVP vor, selbst eine Reihe von Lügen-und Negativ-Kampagnen-Seiten zu betreiben, darunter auch "Wir für Sebastian Kurz".
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Anfang September tauchen erste Unterlagen Silbersteins aus dem Wahlkampf auf. Demnach hat die SPÖ mehrere Anti-Kurz-Videos produzieren lassen. Eines davon wird auf der rechtslastigen Seite "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" gespielt. SPÖ-Wahlkampfleiter Niedermühlbichler (Bild) beteuert, dass die Videos "nicht direkt" von der SPÖ beauftragt worden seien. Und Niedermühlbichler erklärt, dass die SPÖ-Kampagne gehackt worden sei und interne Daten missbräuchlich verwendet würden. Im Laufe des Septembers werden weitere Papiere und Mails Silbersteins publiziert: Stärke-Schwächen-Analysen und pikante SPÖ-Interna bis hin zu jenem Mail, das Kanzler Kern als politisch unerfahren, sprunghaft und eitel beschreibt. Die SPÖ vermutet als Quelle des Informationslecks eine ehemalige Silberstein-Mitarbeiterin, die über gute Kontakte zu ÖVP und Neos verfügen soll.
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Am 30.September berichtet die "Presse", dass ein von Silberstein engagiertes Team für die SPÖ-Kampagne Pro- und Anti-Kurz-Facebookseiten organisiert hat. Die Seite "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" und "Wir für Sebastian Kurz" wurden demnach im Auftrag Silbersteins bzw. der SPÖ produziert. Niedermühlbichler zog daraufhin in einer eilig einberufenen Pressekonferenz die Konsequenzen: Er tritt als Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfleiter zurück - betont aber, nichts von den Seiten gewusst zu haben.
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