VfGH will auch über Zivilurteile wachen können

Gerhart Holzinger, Präsident des Verfassungsgerichtshofs
Gerhart Holzinger, Präsident des VerfassungsgerichtshofsAPA/ROLAND SCHLAGER
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Die Migrationskrise 2015 habe das Vertrauen der Menschen in den Staat erschüttert, konstatiert Holzinger.

Wien. Am 1. 10. 1920 wurde das österreichische Bundes-Verfassungsgesetz beschlossen, weswegen alljährlich Anfang Oktober der Verfassungstag am Höchstgericht begangen wird. Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), Gerhart Holzinger, nutzte seine Rede am Montag, um die Rechtsstaatlichkeit einzumahnen.
Konkret forderte Holzinger die Einführung einer

„Urteilsverfassungsbeschwerde“. Auch gegen Entscheidungen ordentlicher Gerichte (also Zivil- und Strafurteile) sollten Betroffene zum Verfassungsgerichtshof gehen können, meinte Holzinger. Die in Österreich 2015 eingeführte Gesetzesbeschwerde, die Bürgern ermöglicht, Gesetze beim VfGH anzufechten, sei noch zu wenig.

Gesetze nicht reflexartig erlassen

Als Beispiel für die Gefahren, denen Rechtsstaat und Demokratie ausgesetzt sind, nannte Holzinger Polens Verfassungsgericht. Aber auch der US-Präsident habe Richterentscheidungen als „lächerlich“ zurückgewiesen. Österreich sei von solchen Entwicklungen zwar weit entfernt. Aber auch hier würden Rechtsstaat und Demokratie gegeneinander ausgespielt werden. So habe der Kontrollverlust des Staates im Zuge der Migrationskrise 2015 „das Vertrauen der Menschen in die Funktionsfähigkeit des Staates – auch als Rechtsstaat – erschüttert“. In dieselbe Richtung wirke aber nun ein „legislativer Aktionismus, der auf neue Probleme reflexartig mit dem Ruf nach „schärferen“ Gesetzen reagiert, mahnte Holzinger.

Der 70-Jährige wird Ende des Jahres als VfGH-Präsident ausscheiden. (aich)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2017)

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