Forscher untersuchten 16 Wiener Moscheen und stellten fest: Integration wird weniger gefördert als behindert. Integrationsminister Kurz sieht Verstöße gegen das Islamgesetz und fordert die Auflösung betroffener Moscheen.
Wien.Das Timing passt wie so oft bei Sebastian Kurz in diesem Wahlkampf: Zwei Wochen vor der Wahl präsentierte der ÖVP-Parteichef und Außen-und Integrationsminister gestern, Montag, eine Studie. Das Thema: Wieder einmal Islam. Wieder einmal Wien.
Im Auftrag des Österreichischen Integrationsfonds fragte der Historiker Heiko Heinisch und sein Kollege Imet Mehmedi, welche Rolle Wiener Moscheen bei der Integration spielen. Wobei die Autoren einen Beipackzettel mitliefern: Die Studie ist nämlich nicht repräsentativ. In Wien gibt es 150 Vereine, die eine Moschee oder einen Gebetsraum betreiben. Untersucht wurden lediglich 16. „Aber auch wenn wir die doppelte oder dreifache Anzahl untersucht hätten, könnte man keine generelle Aussage treffen“, sagt Heinisch. Dazu seien die einzelnen Moscheen einfach viel zu unterschiedlich. Das sei gemeinsam mit dem Budget (33.000 Euro) auch der Grund, warum man sich auf die Bundeshauptstadt beschränkt habe. Wenn man nicht einmal ein wienweites Bild zeichnen kann, dann erst recht kein bundesweites.
Auch wenn die Studie also keine Generalisierung zulässt, so ist das, was sie zu Tage fördert, bedenklich. Denn, kurz gesagt: Integration ist in den untersuchten Moscheen kein Thema. Eher im Gegenteil. Nur zwei sind aktiv um Integration bemüht, in den anderen steht man ihr bestenfalls nicht im Weg oder aber behindert sie sogar. In acht der untersuchten Moscheen wird demnach ein Weltbild gepredigt, das in Muslime und alle anderentrennt. In sechs finde eine dezidierte Abwertung der westlichen Gesellschaft statt: der Glaube sei nicht dem demokratischen Rechtsstaat untergeordnet, sondern der Koran stehe über dem Gesetzen. Weiters heißt es, dass es Tendenzen zu einer Abwendung von der demokratischen Weltordnung gibt. In einer Moschee der islamischen Föderation werde von islamischer Überlegenheit und einem Weltherrschaftsanspruch gesprochen. „Die fundamentalistischen Tendenzen sind nicht wegzudiskutieren“, sagt Heinisch, der das vor allem bei den türkischen Moscheen erkennt. Teilweise werde auch offener Nationalismus gepredigt. Auch werde der Dschihad als positiver Wert dargestellt.
Neben den Interviews stützen sich die Forscher vor allem auf den Inhalt der Freitagsgebete, die von geschulten und der jeweiligen Sprache mächtigen Beobachtern im Frühjahr 2017 besucht wurden. Dabei zeigte sich auch, dass die Moschee beim Freitagsgebet männlich dominiert ist. Zwar verfügen manche Einrichtungen über einen eigenen Raum für Frauen, dieser wurde aber von Männern beim Freitagsgebet zur Gänze in Anspruch genommen.
Bei der Auswahl der Moscheen versuchten die Forscher ein möglichst breites Spektrum abzubilden: Untersucht wurden je zwei Moscheen der ATIB (Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa), der Islamischen Föderation (Milli Görüs), der albanischen Kultusgemeinde, des Verbandes der bosniakischen islamischen Vereine Österreichs sowie zwei schiitische Moscheen. Und dann je eine Moschee der türkischen Föderation, der UIKZ (Union Islamischer Kulturzentren, die dem türkischen Islam Kültür Merkezleri Birligi angehört), der arabischen Kultusgemeinde sowie eine weitere große arabischsprachige Moschee, als Vertreterin anderer Nationalitäten, eine pakistanische Moschee und eine, in der Deutsch gepredigt wurde.
Kurz kritisiert Kultusamt
Als Folge der Studie formulierte Sebastian Kurz am Montag Forderungen. Bei Verstößen gegen das Islamgesetz müssten die Moscheen aufgelöst werden. Kurz ortet zumindest in zwei Punkten Verstöße. Dabei handle es sich um den Punkt, wonach die Lehre nicht mit gesetzlichen Regelungen in Österreich im Widerspruch stehen darf und zweitens um die Aufforderung zu gesetzwidrigen Verhalten oder die Behinderung. „Ich erwarte das Aktivwerden und wenn die Vorwürfe nicht entkräftet werden können, eine Auflösung dieser Kultusgemeinden“. Adressiert ist diese Aufforderung an das beim Kanzleramt angesiedelte Kultusamt, für das Kurz mehr Personal fordert und das er als untätig kritisiert. Fürs Kultusamt antwortete das Staatssekretariat von Muna Duzdar (SPÖ): Kurz verwechsle das Kultusamt mit dem Verfassungsschutz, im eigenen Zuständigkeitsbereich des Kultusamts sei man tätig, man werde sich die Studie aber genau ansehen. (APA/red)
Die Studie als PDF: http://diepresse.com/moscheestudie
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2017)