"Pille danach": Abtreibung "eher verhindert"

Druml
Druml(c) Clemens Fabry
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Letzte Woche wurde das Präparat rezeptfrei gestellt. Christiane Druml im Interview über die "Pille danach". Die Juristin leitet seit 2007 die im Bundeskanzleramt angesiedelte Bioethikkommision.

„Die Presse“: Kirchenvertreter kampagnisieren gegen die „Pille danach“. Gibt es seitens der Bioethikkommission dazu eine offizielle Meinung?

Christiane Druml: Nein. Dieses Medikament ist ja nichts anderes als ein Ovulationshemmer wie die Antibabypille. Das heißt: Wenn eine Frau diese „Pille danach“ nimmt und den Eisprung schon hatte, nützt sie überhaupt nichts. Eine Schwangerschaft wird damit nicht verhindert.

Sobald das Ei befruchtet ist, ist diese Pille also wirkungslos?

Druml: So ist es. Eigentlich ist das kein Nidationshemmer (der die Einnistung des Eis verhindert, Anm.). Aber ganz genau weiß man es nicht, dazu gibt es keine Studien. Das ist natürlich Wasser auf den Mühlen der Gegner.

Und die behaupten, es handelt sich um eine „Hormonbombe“.

Druml: Das müssen Gynäkologen beantworten, solche Daten haben wir nicht zur Verfügung. Aber Verhütung ist gesellschaftlich akzeptiert, und letztendlich ist das ja auch eine Form von Verhütung, weil es den Eisprung verhindert.

Kritiker betrachten genau das als Problem: dass junge Mädchen auf die „Pille danach“ als Verhütung statt als Notfallmedikament setzen.

Druml: Erstens glaube ich nicht, dass die jungen Leute so ahnungslos sind. In den Bereichen, in denen das der Fall ist, braucht es mehr Aufklärung, etwa über Kondome. Das müsste den Griff zur „Pille danach“ als Standardverhütungsmittel verhindern.

Von katholischer Seite meint man, dass dieses Medikament die Zahl der Abtreibungen erhöht.

Druml: Das kann ich nicht nachvollziehen. Ganz im Gegenteil: Durch dieses Medikament wird eher eine Abtreibung verhindert, und das ist doch gut! Abtreibung ist sicher nichts, was wir anstreben. Außerdem haben wir einen gesellschaftlichen Konsens, dass Schwangerschaftsabbrüche unter gewissen Bedingungen straffrei sind.

Wie gut erforscht ist die „Pille danach“? Könnte sie unabsehbare medizinische Nebenwirkungen haben?

Druml: Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Gesundheitsministerium einem gesundheitlich bedenklichen Präparat zustimmen würde. Auch in vielen anderen Ländern ist die „Pille danach“ ohne große Beratung und Rezept erhältlich.

Es ist also eine reine Ideologiefrage?

Druml: Meines Erachtens schon. Das Ganze schafft keine neue Situation.

Ein Mitglied der Bioethikkommission, die von konservativer Seite entsandte Verena Strausz, ist anderer Meinung.

Druml: Das ist ihre persönliche Ansicht und entspricht in keiner Weise der Meinung der Kommission. Wir haben darüber keine Diskussion geführt, und das ist meiner Meinung nach auch nicht nötig. Die Bundesregierung hat ebenfalls nicht um Stellungnahme ersucht.

AUF EINEN BLICK

Die „Pille danach“ wurde letzte Woche vom Gesundheitsministerium als „Präparat zur Notfallverhütung“ rezeptfrei gestellt. Das Medikament muss innerhalb von 72 Stunden nach einem ungeschützten Geschlechtsverkehr eingenommen werden, sonst wirkt es nicht mehr. Einerseits wird ein Eisprung verhindert, andererseits wird – wie bei der Antibabypille – die Gebärmutterschleimhaut abgebaut, damit sich ein befruchtetes Ei nicht einnisten kann. SPÖ und Grüne applaudierten. ÖVP, Freiheitliche und die katholische Kirche kritisierten die Entscheidung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2009)

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