Was wir von den Neandertalern geerbt haben

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Von den alten Europäern kommen vor allem Genvarianten, die mit Haut, Haar und Stimmung zu tun haben.

Seit wir wissen, dass sich unsere Ahnen, die aus Afrika eingewanderten Vertreter der Art Homo sapiens, mit den in Europa schon länger heimischen Neandertalern doch vermischt haben, reizt uns die Frage: Was an uns ist neandertalerisch? Was haben wir – oder wenigstens manche von uns – von diesen alten Europäern geerbt, die nicht nur H. G. Wells einst für „graue, haarige und wolfsähnliche Ungetüme“ hielt? Sind vielleicht die Blassen, Rothaarigen ihnen am nächsten?

Gleich vorweg: Diese reizvolle Idee wird von der Studie über die „Contribution of Neanderthals to Phenotypic Variation in Modern Humans“ (The American Journal of Human Genetics, 5. 10.) nicht gestützt. Zumindest vom Gen MC1R, das Haar- und Hautfarbe wesentlich beeinflusst, hat man just die Varianten, die unsereins rothaarig machen, in den zwei bisher fast vollständig sequenzierten Neandertaler-Genomen nicht gefunden. Und das, obwohl „besonders der Hautton, die Leichtigkeit, mit der man bräunt, sowie die Haarfarbe von Neandertaler-DNA beeinflusst werden“, wie Janet Kelso erklärt, die die Studie gemeinsam mit Michael Dannemann (ebenfalls vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig) erstellt hat.

Dabei scheint diese Neandertaler-DNA durchaus vielfältig: Manche Genvarianten tragen zu helleren Haut- und Haarfarben bei, andere zu dunkleren. Auch die Neandertaler hatten offensichtlich ganz unterschiedliche Teints.

Außer Haut und Haar werden auch andere Eigenschaften besonders stark von Genvarianten beeinflusst, die von Neandertalern kommen: etwa Biorhythmen, Stimmung und Schlafmuster. Alles Eigenschaften, die mit der Sonneneinstrahlung zu tun haben, meinen Kelso und Dannemann. Die Neandertaler hätten sich eben vor allem an die geringere und stärker wechselnde Menge an UV-Licht anpassen müssen. So scheinen Genvarianten, die eine Person zum Abendmenschen machen, eher von Neandertalern zu stammen. Eine andere von diesen ererbte Genvariante ist seltsamerweise bei Rauchern häufiger – was wohl nicht dadurch zu erklären ist, dass die Neandertaler schon die Nikotinsucht gekannt hätten, sondern eher dadurch, dass diese Genvariante ein Gemüt so beeinflusst, dass es mehr zur Sucht tendiert. (tk)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2017)

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