England, Grafschaft Hertfordshire

Harry Potter: Hogwarts gibt es nicht

In der Welt von Harry Potter unterwegs, sprich in den Studios von Warner Bros. die Winkelgasse.
In der Welt von Harry Potter unterwegs, sprich in den Studios von Warner Bros. die Winkelgasse. Warner Bros.Entertainment Inc Harry Potter Publishing Right
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Die Filmstudio-Tour bei Warner Bros. in Leavesden verlangt Harry-Potter-Fans emotionale Höchstleistungen ab.

Für Fans von Harry Potter, jenem britischen Zauberschüler, der in einer magischen Parallelwelt bewaffnet mit einem Zauberstab und der Liebe seiner verstorbenen Mutter gegen das faschistische Böse kämpft, gibt es ihn wirklich, den einen Happy Place: Wenn alles auf der Welt schiefzulaufen scheint, wünscht man sich nach Hogwarts, an die Zauberschule, die Potter und seine Freunde (Hermine Granger, Ron Weasley, Albus Dumbledore, Hagrid) wie Feinde (ein Basilisk, Draco Malfoy, Lord Voldemort) bevölkern. Per Brief werden die ausgewählten Schüler über ihre magischen Kräfte informiert, ehe sie vom Gleis 9 ¾ eines Londoner Bahnhofs per Zug gen Schottland aufbrechen, um in Hogwarts, einem extravaganten Schloss mit sich bewegenden Treppen und sprechenden Gemälden, meist bei Schnee und Regen das Besenreiten zu lernen und um Fächer wie „Verteidigung gegen die dunklen Künste“ zu belegen. Der Traum vom Brief erfüllte sich allerdings noch nie für jemanden. Dennoch scheint eine ganze Generation überzeugt zu sein, dass es Hogwarts und Harry Potter – Erfindungen der britischen Autorin J. K. Rowling – gibt. Und Rowling, die indes reichste Autorin der Welt, verdient sich eine goldene Nase an dem verzweifelten Festhalten der Potter-Fans an einer Welt, in der das Gute immer siegen darf. Nach wie vor.

In Leavesden in der englischen Grafschaft Hertfordshire können besonders große Fanatiker für umgerechnet gut 40 Euro Eintritt erlangen in das Reich der Rowling-Zauberer. Für die „Warner Bros. Studio Tour – The Making of Harry Potter“ haben die Mitarbeiter der Filmproduktionsfirma Warner Bros. all das zusammengetragen, was essenziell für die erfolgreichen Harry-Potter-Filme war: Kleider, Möbel, Spezialeffekte – alles echt verwendet auf den Sets der Filme, von denen es immerhin acht gab. Die Studiohallen sind ein wahres Wunderkabinett, gefüllt mit Kostbarkeiten, die jeder, der die Filme halbwegs intensiv gesehen hat, sofort erkennt – und aus der Nähe bestaunen kann.

Hippogreif Seidenschnabel.
Hippogreif Seidenschnabel.Warner Bros.Entertainment Inc Harry Potter Publishing Right

Winkelgasse, verbotener Wald

So viel zum Inhalt der Ausstellung. Doch was wirklich fasziniert, sind die emotionalen Fallen, die Rowling – die in die Ausgestaltung der Studio Tour bis zum letzten Detail mit eingebunden gewesen sein soll – und ihr Team eingebaut haben. Die Titelmelodie der Harry-Potter-Filme („Hedwig's Theme“, eine geniale Komposition von John Williams, die einen sofort an schottische Schneestürme, wehende Zaubererumhänge, magische Glaskugeln erinnert) wird jedem Fan, der etwas auf sich hält, schon beim Betreten des Geländes Gänsehaut bescheren – laut tönt sie aus den Lautsprechern beim Einlass. Die Originalkulisse der Großen Halle von Hogwarts (samt originalem Portal) ist ebenfalls ein beeindruckendes Prunkstück der Tour, das zwar nicht unbedingt viel über Harry Potter verrät, aber einiges über Filmtricks und -technik. Die Kulissen der Winkelgasse, der Hauptstraße des magischen London in Rowlings Romanen, und des Weasley-Familiensitzes „Fuchsbau“ sind ebenfalls in die Tour integriert. Selbst der Verbotene Wald – Schauplatz geladener Duelle und tiefenpsychologischer Reinigung des Romanhelden – ist mittlerweile (und neuerdings) auf der Studio Tour zu begehen.

Malfoys Anwesen
Malfoys Anwesen Warner Bros.Entertainment Inc Harry Potter Publishing Right

Sentimentaler Höhepunkt: jener Zug, der als Hogwarts Express eingesetzt wurde, samt Innengestaltung und Bistro-Wägelchen.
Und Hogwarts selbst? Die Dreharbeiten für die Szenen auf der Zauberschule fanden ja an verschiedenen real existierenden Orten statt. Die Gesamtheit des Schlosses ist dennoch in der Studio Tour erlebbar, auch wenn sie wohl das Konzept Hogwarts für jeden Fan unumkehrbar verändern wird: Ein relativ kleines Modell steht in einem volksschulturnhallengroßen Raum. Es diente für alle Detailaußenaufnahmen von Hogwarts. Und bestätigt unwiederbringlich: Hogwarts gibt es nicht.

Die Studio Tour dauert lang, dazwischen können sich Gäste mit Butterbier (auch jenes wird entzaubert: Warner Bros. interpretiert das Lieblingsgetränk der Magier als Zuckerwasser mit Schlagobersschaum) stärken; das Herzstück der Tour ist aber der Shop mit Zauberstäben und Umhängen und Schokofröschen und Magie-Lehrbüchern, putzig im Winkelgassenstil gehalten. Hier wird der emotional aufgebrachte Zustand der Tourbesucher aufs Äußerste ausgenutzt: Packen Sie viel Geld ein, wenn Sie mit Merchandiseartikeln die Enttäuschung bekämpfen wollen, dass Harry Potter mittlerweile nichts anderes mehr ist als ein Projekt zur Wertschöpfung.

Info

Warner Bros. Studio Tour London, Studio Tour Drive, Leavesden, WD25 7LR, wbstudiotour.co.uk

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2017)

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