Spanien: Unabhängigkeitsgegner rufen zum Massenprotest

Flaggen an den Fenstern
Flaggen an den FensternREUTERS
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Am Wochenende machen nun auch die Verfechter einer Einheit Spaniens mobil. In Barcelona ist eine Großdemo geplant.

Madrid/Barcelona. In Spanien regt sich der gesamtnationale Patriotismus als Gegenbewegung zu den Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien. In Madrid und anderen Städten wehen vermehrt spanische Fahnen. Und nun wollen die Anhänger der Einheit Spaniens auch in Barcelona Flagge zeigen. Mehrere Organisationen und Parteien – darunter die Volkspartei und liberale Ciudadanos – haben für Sonntag zu einer Großdemo in Barcelona aufgerufen.

„Es dürfte die größte Demonstration werden, die es jemals in Katalonien gegen die Unabhängigkeit gegeben hat“, sagte Mariano Goma, der Vorsitzende der Bürgerbewegung Societat Civil Catalana (SCC). Der Chef des Unternehmerverbands rechnet mit mehreren hunderttausend Menschen. Der Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa, ein Peruaner, die katalanische Filmregisseurin Isabel Coixet, der frühere EU-Parlamentspräsident Josep Borrell haben ihre Teilnahme angekündigt. Währenddessen haben zwei separatistische Bürgerbewegungen ihre Protestmärsche für Sonntag abgesagt – um Kräfte zu sparen und mögliche Zusammenstöße zu vermeiden. Sie wollen stattdessen am Montag oder Dienstag auf die Straße gehen.

Kataloniens Regierungschef Carles Puigdemont scheint indessen auch das jüngste Verbot des Obersten spanischen Gerichts nicht aufhalten zu können: Das Verfassungsgericht hatte eine Sitzung des katalanischen Parlaments am kommenden Montag verboten, weil befürchtet wurde, dass dann die angekündigte einseitige Unabhängigkeitserklärung verabschiedet werden sollte. Nun versucht Puigdemont offenbar, das Verbot zum umgehen: Er beantragte bei der katalanischen Parlamentspräsidentin eine neue Sitzung für Dienstag – angeblich um die Kammer, in der die Separatisten eine knappe Mehrheit haben, „über die aktuelle politische Lage“ zu informieren. Wahrscheinlich ist dies nur ein Vorwand, um dann die Abspaltung zu proklamieren.

Imageschaden für Tourismus

In Madrid kam die Regierung zu einer Krisensitzung zusammen, um Gegenmaßnahmen für den Fall einer Unabhängigkeitserklärung zu erörtern. Die konservative Minderheitsregierung kommt der Wirtschaft zu Hilfe: Das Kabinett beschloss ein Dekret, das es Unternehmen ermöglicht, per Eilverfahren den rechtlichen Firmensitz zu ändern. Danach müssen die Konzerne für eine Umsiedlung nun nicht mehr eine Aktionärsversammlung einberufen, sondern es reicht die Entscheidung des Aufsichtsrats. Viele katalanische Unternehmen sorgen sich nämlich, dass bei einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung in Katalonien ein rechtliches Chaos ausbrechen könnte. Sie wollen für ihre Geschäfte nicht die Sicherheit, die Rechtsgarantien und den EU-Binnenmarkt verlieren.

Auch der katalanische Tourismussektor, bisher Zugpferd des gesamtspanischen Urlaubsmarktes, sieht dunkle Wolken am Horizont aufziehen. Die wachsenden Spannungen schrecken Feriengäste ab. Der Vizechef der Meliá-Hotelkette, Alfonso del Poyo, berichtet „von einem bedeutenden Rückgang der Nachfrage“. Ein Branchensprecher warnte, dass die „soziale Instabilität“ in Katalonien und „die ständigen Demonstrationen“ von Befürwortern und Gegnern der Unabhängigkeit die Touristen verunsicherten. Der Imageschaden ist so schnell nicht wiedergutzumachen. Mehrere Kreuzfahrtschiffe haben zuletzt den Besuch in Barcelona abgesagt. (ze/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2017)

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