Wie skrupellos darf Wahlkampf sein? Fragen Sie die PR-Branche!
Sie ist moralisch nicht immer ganz so gefestigt, wie man es im Kulturellen erwartet, unsere Unterabteilung Schauspiel im Gegengift. Im Laufe der Jahre hat sie sich an recht viel Schmiere gewöhnen müssen. Pissorgien, Sodomie und koprophile Künste zählen für uns zu erwartbaren Aha-Erlebnissen postdramatischer Abende. Am Freitagmorgen haben wir jedoch beim „Journal um acht“ auf Ö1 dazugelernt: Stefan Kappacher interviewt Peter Puller, einen Mitarbeiter des von der SPÖ bezahlten Beraterteams von Tal Silberstein, und bringt den brutalen Wahlkampf mit einer Frage auf den Punkt. Er tituliert Puller als „Söldner“ dieser Kampagne und will von ihm wissen: „Wie skrupellos sind Sie wirklich?“ Puller antwortet tatsächlich, und zwar so kaltschnäuzig, als ob er den bösen Jago in Shakespeares Tragödie „Othello“ mit seinem nihilistischen Weltbild übetreffen wolle: „Ich bin Politikberater von Beruf und PR-Berater, Unternehmer. Ja, ich habe für verschiedene Parteien bereits gearbeitet.“ Doch selbst er kenne Grenzen, er stecke sie „immer für mich persönlich ab“. Auf Nachfrage, wie skrupellos eine Kampagne sei, die sich rassistischer und antisemitischer Elemente bediene, sagt dieser Jago, der für die SPÖ sowie zuvor für Neos und ÖVP gearbeitet hat: „Ich würde das nicht skrupellos nennen. Das war ein professionelles Marktforschungsprojekt, das auch international bereits üblich ist.“
Jetzt wissen wir es: Am 15. Oktober geht es nicht um Nationalratsmandate, sondern um ein rein wissenschaftliches Experiment. Denn Herr Puller definiert Silbersteins Teamarbeit im Auftrag der Sozialdemokratie so: „Man kann es Testlabor nennen und ergänzende Marktforschung auch in den sozialen Netzwerken.“