Türkei rückt gegen Islamisten in ihrem Vorhof vor

APA/AFP/OMAR HAJ KADOUR
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Die türkische Armee startet eine Offensive in der nordsyrischen Provinz Idlib. Ankara will nicht nur einen Waffenstillstand erzwingen, sondern auch den Einfluss in der Region stärken.

Die türkische Armee hat eine Offensive in Nordsyrien gestartet. Es handle sich um einen "Erkundungseinsatz" in der Provinz Idlib, teilte das türkische Militär am Montag mit. Idlib ist die letzte Region des Bürgerkriegslandes, die fast vollständig von Aufständischen beherrscht wird. Die Türkei als Unterstützer der Rebellen hatte sich Mitte September bei Verhandlungen in Kasachstan mit Russland und dem Iran, die den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad unterstützen, darauf verständigt, in Idlib eine von vier Deeskalationszonen einzurichten. Damit soll die Gewalt reduziert werden.

Schon am Sonntag hatte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte schon am Sonntag gesagt, dass die Armee gemeinsam mit der Freien Syrischen Armee einen Einsatz in Idlib begonnen habe, der "ohne Probleme" verlaufe. Man wolle einen "Terrorkorridor" an der türkischen Grenze verhindern. Die Provinz  grenzt an die von der Kurdenmiliz YPG kontrollierten Region Afrin. Die Türkei sieht in der YPG den syrischen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, die sie bekämpft.

Die Provinz Idlib ist die letzte Hochburg der Rebellen in Nordsyrien. Schon früh hatte die Freie Syrische Armee (FSA) die an die Türkei angrenzende Agrarregion im Nordwesten Syriens unter ihre Kontrolle gebracht - auch Dank der Unterstützung Ankaras, die die Aufständischen im Kampf gegen Machthaber Bashar al-Assad mit Waffen versorgte.

Radikale Islamistengruppen erstarken

Nach und nach verloren aber die FSA-Rebellen in Idlib an Einfluss, während radikale Islamistengruppen erstarkten. Im August wurde dann auch die protürkische Rebellengruppe Ahrar al-Sham vertrieben. Nun will die Türkei mit einer Militäroffensive einen regionalen Waffenstillstand in Idlib durchsetzen - und damit wohl auch ihren Einfluss in der Region wiederherstellen.

Offiziell dient der Einsatz der türkischen Armee in Idlib der Absicherung der dort geplanten "Deeskalationszone". Insgesamt gibt es vier solche Zonen in Syrien, in denen eine Waffenruhe zwischen Rebellen und Regierungstruppen herrschen soll. Vereinbart wurden die Zonen von der Türkei, dem Iran und Russland, die auch für die Einhaltung der Waffenruhen sorgen wollen.

Ausgenommen von den Waffenruhen sind allerdings die Jihadistengruppen Islamischer Staat (IS) und Hajat Tahrir al-Sham (HTS). Bei Letzterer handelt es sich um ein Bündnis radikaler Islamistengruppen um Fateh al-Sham, das große Teile von Idlib kontrolliert. Die Gruppe hieß bis vergangenes Jahr Al-Nusra Front und war der syrische Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida.

"Türkei wird auf ernsthaften Widerstand stoßen"

Heute will Fateh al-Sham nichts mehr mit Al-Kaida zu tun haben, doch gilt die Gruppe den USA und anderen Staaten weiter als Terrororganisation. Da das von ihr dominierte Bündnis HTS die stärkste Kraft in Idlib ist, wird die türkische Armee zunächst die Gruppe aus der Region vertreiben müssen, wenn sie die Deeskalationszone durchsetzen will. Das wird ohne Kämpfe aber nicht gehen.

"Wenn die Türkei sich entscheidet, gegen HTS vorzugehen, wird sie sicherlich auf ernsthaften Widerstand stoßen", sagt der Forscher Aron Lund vom Politikinstitut The Century Foundation. Er erwartet, dass die Türkei bei der Offensive Panzer, Artillerie und Spezialkräfte stellt, während der Großteil der Bodentruppen von den FSA-Rebellen gebildet werden.

Schon bei dem türkischen Militäreinsatz "Schutzschild Euphrat" in Nordsyrien im vergangenen Jahr hatte die Armee auf die FSA-Kämpfer gesetzt. Ein syrischer Rebellenkommandeur sagte, alle an der vorherigen Operation beteiligten Kräfte würden auch an dem neuen Einsatz teilnehmen. "Das Ziel ist es, Idlib vollkommen von Hajat Tahrir al-Sham zu befreien", sagte er.

(APA/Reuters/AFP)

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