Wirtschaftsnobelpreis geht an Verhaltensökonom Richard H. Thaler

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Der US-Ökonom Thaler, der in Chicago lehrt, untersucht psychologische Faktoren hinter
wirtschaftlichen Entscheidungen.

Der diesjährige Nobelpreis für Wirtschaft geht an den US-amerikanischen Verhaltensökonomen Richard H. Thaler (72). Das gab die Königlich-Schwedische Wissenschaftsakademie am Montag in Stockholm bekannt. Thaler lehrt derzeit in Chicago. Er wurde für seine Beiträge zur Verhaltensökonomik ausgezeichnet, wie die Jury erläuterte. Dabei geht es etwa um psychologische Faktoren, die hinter wirtschaftlichen Entscheidungen stehen.

"Ökonomen sind menschlich" - das ist nach Ansicht Thaler die wichtigste Erkenntnis aus seiner Forschung. "Wirtschaftliche Modelle müssen das berücksichtigen", sagte der US-Forscher am Montag in einem Telefongespräch mit der Königlich-Schwedischen Wissenschaftsakademie.

"Vergabe keine Überraschung"

Die Vergabe des diesjährigen Wirtschaftsnobelpreises an den Thaler ist keine große Überraschung. "Es ist höchst verdient, dass er gewonnen hat. Er ist schon zweimal zu kurz gekommen", sagte Jean-Robert Tyran, Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Wien, dessen Spezialgebiet Behavioral Experimental Economics ist, im Gespräch mit der APA.

"Das erste Mal ist er zu kurz gekommen, als Daniel Kahnemann den Nobelpreis (2002, Anm.) gewonnen hat. Er ist in Stockholm neben ihm gesessen bei der Verleihung und hat ein saures Gesicht gemacht, er wäre dort schon eigentlich auf der Liste gewesen, aber Kahneman hat sich den Preis geteilt mit Vernon Smith. Und dann hätte er ihn auch für Behavioral Finance verdient, aber da hat Robert Shiller ihn mit zwei anderen (2013 mit Lars Peter Hansen und Eugene Fama, Anm.) geteilt, da ist er auch wieder zu kurz gekommen", sagte Tyran am Montag zur APA.

Behavioral Economics sei ein hochaktuelles Thema, "weil es neue Perspektiven auf die Wirtschaftswissenschaften gibt und bahnbrechende Einsichten liefert in allen Bereichen der Grundlagenforschung, aber auch der angewandten Forschung", sagte Tyran. "Morgen Abend wird zum Beispiel die Verhaltensökonomin Iris Bohnet um 18.30 Uhr in der Oesterreichischen Nationalbank vortragen und genau erklären, wie man Behavioral Economics brauchen kann, um Geschlechtergerechtigkeit herzustellen."

Ehemaliger Obama-Berater

Richard Thaler ist Co-Autor des Buches "Nudge: Improving Decisions About Health, Wealth and Happiness", in dem er beschreibt, wie man Menschen mit niederschwelligen Maßnahmen dazu bewegt, die richtigen Entscheidungen zu treffen - etwa weniger Energie zu verbrauchen oder die Rundfunkgebühren zu bezahlen. "Das Buch hat die Profession sehr stark bewegt, weil es angewandte Politiklösungen beschreibt, die auf Einsichten von Behavioral Economics basieren", erklärte Tyran. Auch der frühere US-Präsident Barack Obama war ein Anhänger der Nudge-Theorie.

"Behavioral Economics verwirft nicht die traditionelle Ökonomik, sondern sie verbessert sie", sagte der Wirtschaftsforscher. Eine wesentliche Erkenntnis sei: "Die Menschen sind beschränkt rational, sie sind nicht so rational, wie die ökonomische Theorie angenommen hat. Sie machen systematische Fehler in gewissen Situationen, aber es ist nicht so, dass man jetzt sagt alle sind verrückt."

Kein klassischer Nobelpreis

Im vergangenen Jahr hatten der US-Amerikaner Oliver Hart und der Finne Bengt Holmström den Nobelpreis für Forschungen zu Vertragskonstruktionen erhalten. Ökonomen aus den Vereinigten Staaten dominieren die Auszeichnung seit der ersten Verleihung 1969. Nur ein Österreicher wurde bisher geehrt: Friedrich August von Hayek wurde 1974 für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Geld- und Konjunkturtheorie und seine Analysen der wechselseitigen Abhängigkeit von wirtschaftlichen, sozialen und institutionellen Verhältnissen ausgezeichnet.

Die mit umgerechnet rund 940.000 Euro (neun Millionen schwedischen Kronen) dotierte Auszeichnung geht nicht auf das Testament des Erfinders Alfred Nobel zurück. Sie gilt daher nicht als klassischer Nobelpreis. Die schwedische Reichsbank stiftete den Preis 1968 nachträglich.

Verliehen wird der Wirtschafts-Preis trotzdem gemeinsam mit den traditionellen Kategorien Medizin, Physik, Chemie, Literatur und Frieden am 10. Dezember - dem Todestag des Preisstifters.

(APA/dpa/AFX)

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