Litauens Geheimdienst ließ CIA-Gefängnis bauen

(c) AP (Seth Perlman)
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Ein Parlamentsbericht enthüllt: Zellen und Verhörkeller in einer Reitschule nahe der Hauptstadt Vilnius. "Es gab die Anlagen, es gab die Flüge", sagte der Kommissionsvorsitzende.

KOPENHAGEN/Vilnius. Litauen zählte offenbar zu den Ländern, in denen der US-Geheimdienst CIA Gefängnisse unterhielt, in denen mutmaßliche Terroristen festgehalten, verhört und gefoltert wurden. Der litauische Sicherheitsdienst habe den US-Kollegen den Bau der Anlagen ermöglicht und die Voraussetzungen dafür geschaffen, Personen unter Umgehung der Zoll- und Einreisebestimmungen dorthin zu schaffen. Dies sei ohne Mitwissen der führenden Politiker geschehen, stellte eine parlamentarische Untersuchungskommission vergangene Woche fest. Jedoch fehlen Beweise, dass das Verlies tatsächlich benützt wurde.

„Es gab die Anlagen, es gab die Flüge“, sagte der Kommissionsvorsitzende Arvydas Anusauskas nach der Anhörung von mehr als 50 Zeugen. Mehrere mit dem illegalen Transport von Gefangenen beauftragte Flugzeuge landeten im fraglichen Zeitraum in Vilnius. Über deren Fracht könne man aber „keine Angaben“ machen, da sie sich den „üblichen Kontrollen“ entzogen hätten. Es habe 2002 ein erstes Verlies für einen Insassen gegeben und 2004 – „auf Wunsch unserer Alliierten“ – eine zweite, größere Anlage. Der US-Fernsehsender ABC hatte im August berichtet, dass dort bis zu acht Personen mit al-Qaida-Verbindung festgehalten wurden. Litauen war 2004 der Nato beigetreten.

Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite, die schon zuvor aufgrund von Hinweisen glaubte, dass die Gerüchte über ein CIA-Gefängnis stimmten, sieht sich nun bestätigt. Wenn die Vorwürfe zuträfen, müsse Litauen „aufräumen, die Verantwortung übernehmen, sich entschuldigen und dafür sorgen, dass so etwas nie wieder geschehe“. Nun sei zu untersuchen, welche Geheimdienstoffiziere ihr Mandat überschritten hätten. Der jetzige Chef Povilas Malakauskas trat schon in der Vorwoche „aus privaten Gründen“ zurück. Sein Vorgänger Mecys Laurinkus, der in der fraglichen Periode die Staatssicherheit leitete, wurde von seinem Posten als Botschafter in Georgien abgezogen.

Ahnungslose Spitzenpolitiker?

Laurinkus behauptet, er habe die Einrichtung eines CIA-Gefängnisses 2004 mit dem damaligen Präsidenten Rolandas Paksas nur „rein theoretisch“ erörtert. Dieser habe abgelehnt. Paksas wurde bald danach seines Amts enthoben und durch Valdas Adamkus ersetzt, der für seine enge Beziehung zu den USA bekannt ist. Adamkus bestritt jegliche Kenntnis der Enthüllungen. Auch andere Politiker, die damals Spitzenämter innehatten, sagten, sie hätten von nichts gewusst. Die Geheimdienstchefs hätten es unterlassen, die Staatsführung über Ziele und Ausmaß der Zusammenarbeit mit der CIA zu informieren, so der Rapport.

Erst als der litauische TV-Sender LNK den mutmaßlichen Standort der Anlage fand, reagierte das Parlament und setzte einen Untersuchungsausschuss ein. Es handelte sich um eine Reitschule am Stadtrand von Vilnius, die von Englisch sprechenden Arbeitern umgebaut wurde, mit vorgefertigten Verhörkellern und nur zum amerikanischen Stromnetz passenden Steckern. Als Käufer des Geländes figurierte eine Holding in Panama, die das erneut renovierte Gebäude ein paar Jahre später an den litauischen Staat verkaufte. Nun dient es als Trainingscenter für den Sicherheitsdienst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.12.2009)

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