Gastkommentar

Wahlrecht auch für Ausländer? Absurd und gefährlich!

Nein, es soll nicht jeder wählen können, der lang genug in Österreich ist.

Wann immer Wahlen in diesem Land anstehen, wird die Forderung laut, jeden wählen zu lassen, wenn er nur schon lang genug im Land ist. Dieses Ansinnen wird traditionell aus der linken und (gesellschafts-)liberalen Reichshälfte Österreichs geäußert.

Jüngst kam diese Forderung etwa von der prominenten Neos-Kandidatin Irmgard Griss. Argumentiert wird, dass einfach zu viele von der politischen Teilhabe ausgeschlossen seien. Im Hinterkopf schwingt aber wohl auch die Hoffnung mit: Wenn man sich das Wahlvolk richtig hinbiegt, dann wird auch das Wahlergebnis dementsprechend ausfallen. Dass dem nicht automatisch so ist, zeigt aber allein die Tatsache, dass der SPÖ in Wien ihre traditionellen Wählerschaften mit Migrationshintergrund scharenweise abhandenkommen.

Anfang des Jahres hatten 1.341.930 Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft ihren Lebensmittelpunkt in Österreich – davon 1.109.286 im wahlberechtigten Alter. Das wären bundesweit rund 15 Prozent der Bevölkerung im wahlfähigen Alter, die von der politischen Teilhabe ausgeschlossen sind. Für Wien sind die Zahlen noch dramatischer: Die Stadt hat 1.580.950 Einwohner im wahlberechtigten Alter, davon sind jedoch 444.611 keine Österreicher und dürfen daher auch nicht wählen.

Politische Begehrlichkeiten

Dass so manche politische Partei Begehrlichkeiten auf diese immerhin 28 Prozent der potenziellen Wahlberechtigten entwickelt, mag aus der jeweiligen Parteisicht zwar verständlich sein. Staatspolitisch aber sind diese Gedankenspiele abzulehnen.

Das Recht, an Wahlen teilzunehmen, ist eines der zentralen Elemente unserer demokratischen Ordnung. Auf der ganzen Welt ist dieses Recht daran gebunden, dass man Staatsbürger des betreffenden Staates ist. Regelmäßig bricht in Österreich im Vorfeld einer Bundeswahl die Diskussion los, man möge dieses Prinzip doch endlich aufgeben und eigentlich jeden, der – aus welchen Gründen auch immer – schon seit längerer Zeit hier lebt, wählen lassen.

Ein Spiel mit dem Feuer

Ob dies eine Folge der verfehlten Integrationspolitik und somit Ausdruck eines schlechten Gewissens ist oder einfach politische Unbedachtheit, das ist nicht immer klar. Von den Befürwortern der Ausdehnung des Wahlrechts werden jedenfalls schwere Geschütze aufgefahren. Etwa das Argument, man könne wohl nicht von einem „allgemeinen Wahlrecht“ sprechen, wenn so viele Menschen nicht wählen dürften. Wer so argumentiert, spielt wohl wissentlich mit dem Feuer und rüttelt aus ideologischen Gründen an den Grundfesten des Staates.

Dabei wäre es einfach, dieses Wahlrecht zu erlangen. Österreich ist eines der wenigen Länder, die einen Rechtsanspruch auf die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vorsehen (bei Erfüllung allgemeiner Gründe). Hier geborene Kinder, EWR-Bürger (EU plus Norwegen, Island und Liechtenstein) sowie anerkannte Flüchtlinge können so bereits nach sechs Jahren (!) Österreicher werden.

Die größte Gruppe der nicht Wahlberechtigten sind übrigens deutsche Staatsbürger. Sie könnten problemlos Österreicher werden. Offensichtlich wollen sie das nicht und wählen lieber in ihrer Heimat. Das ist zu respektieren. Warum man sie dafür jetzt aber auch noch politisch belohnen sollte, indem man ihnen das Wahlrecht in unserem Land zugesteht, das ist beim besten Willen nicht zu erklären. Warum sollte man Ausländer besserstellen als Inländer?

Diese Frage kann selbst Irmgard Griss nicht beantworten.

Stefan Brocza ist Experte für Europarecht und internationale Beziehungen.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2017)

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