Gesetze

Nationalrat: Eine Sitzung, 470 Millionen Euro

Wahlkampf pur von der Regierungsbank aus.
Wahlkampf pur von der Regierungsbank aus.(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Im Parlament gab es vier Tage vor der Nationalratswahl Wahlkampf pur. SPÖ, FPÖ und Grüne brachten eine Reihe von Gesetzen mit teilweise erheblichen finanziellen Auswirkungen durch.

Wien. Der Bundeskanzler stellte sich selbst in den Mittelpunkt. Christian Kern gab am Donnerstag bei der Nationalratssitzung eine Erklärung ab. Das ist an sich nicht ungewöhnlich, die Geschäftsordnung räumt dem Regierungschef diese Möglichkeit ein. Allerdings: Es gab kein konkretes Projekt, das der Kanzler vorstellen wollte. Der SPÖ-Chef sprach siebeneinhalb Minuten lang über die politische Kultur und über die Verantwortung, die die Politik für das Land hätte. Wahlkampf pur also von der Regierungsbank aus.

Die anderen Parteien griffen den Ball dankbar auf und schossen scharf in Richtung Kanzlerpartei. „Der Witz des Tages“ sei es, dass ausgerechnet Kern von Verantwortung spreche, während seine Partei Dirty Campaigning auf Kosten der Steuerzahler betrieben habe, sagte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Der angesichts von Kern sogar Werner Faymann „ein paar Tränen nachweinen“ wollte. ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger spottete, dass der SPÖ-Chef besser eine Wahlkampfrede auf dem Viktor-Adler-Markt hätte halten sollen. Und in Sachen Dirty Campaigning solle er vor der eigenen Tür kehren. Und Grünen-Klubchef Albert Steinhauser stellte fest, dass die drei großen Parteien für den Wahlkampfsumpf verantwortlich seien.

Dass der Bundeskanzler der Debatte über seine eigene Erklärung nicht lauschen wollte und sich von seiner Staatssekretärin, Muna Duzdar, vertreten ließ, kam bei den anderen Fraktionen gar nicht gut an: Alle vier Parteien beschlossen, dass Kern umgehend wieder im Redoutensaal der Hofburg – dem Ausweichquartier des Parlaments – zu erscheinen habe. Selbst einzelne SPÖ-Mandatare stimmten da mit.

SPÖ, FPÖ und Grüne einig

Eine ganz andere Koalition bildete sich, als es um die Gesetzesbeschlüsse ging. Da machten Freiheitliche und Grüne mit den von ihnen bekämpften Sozialdemokraten sehr wohl gemeinsame Sache. Die Volkspartei dagegen konnte oder wollte die Vorwahlsitzung ohne Koalitionszwang nicht dazu nutzen, eigene Anliegen durchzusetzen. Versucht hat das die ÖVP nur beim Thema „Schuldenbremse in der Verfassung“ – die kam allerdings mangels Verfassungsmehrheit nicht zustande. So konnte Grünen-Klubchef Steinhauser frohlocken: Die ÖVP sei in den vergangenen 31 Jahren im Parlament nur selten überstimmt worden – in dieser Sitzung aber gleich sechs Mal.

SPÖ, FPÖ und Grüne stimmten einer Reihe von Gesetzen zu, die nach Angaben der Antragssteller Gesamtkosten von mindestens 470 Millionen Euro verursachen werden. Allein 160 Millionen Euro macht die Änderung bei der Notstandshilfe aus: Die Anrechnung des Partnereinkommens wird gestrichen. Bisher sind vor allem viele Frauen um die Notstandshilfe umgefallen, weil ihr Partner zu viel verdiente. 50 Millionen Euro kostet die Übernahme der Internatskosten von Lehrlingen durch den Insolvenzausgleichfonds. 45 Millionen die Verdoppelung der Arbeitsmarktmittel für Behinderte.

Pensionen teils über Inflation erhöht

Von einem breiten Konsens getragen wurde die Pensionserhöhung über der Inflationsrate. Die Kosten: 136 Millionen Euro. Konkret ist vorgesehen, dass Pensionen (inklusive Ausgleichszulage) bis zu einer Höhe von 1.500 Euro um 2,2 Prozent angepasst werden. Zwischen 1.500 und 2.000 Euro gibt es einen monatlichen Pauschalbetrag von 33 Euro. Bei Ruhensbezügen darüber hinaus bis zu 3.355 Euro wird exakt die Inflation, also eben die errechneten 1,6 Prozent abgegolten. Danach sinkt die Erhöhung linear ab. Wer mehr als 4.980 Euro Pension bezieht, bekommt überhaupt keine Aufstockung.

Die Gesamtsumme von 470 Millionen Euro wird sich noch erhöhen: Für die Abschaffung der Mietvertragsgebühr gibt es noch keine Kostenschätzung. Auch das Finanzministerium wollte sich dazu noch nicht äußern.

Die Angleichung der Rechte von Arbeitern und Angestellten ist so gut wie fix. SPÖ, FPÖ und Grüne haben sich auf einen entsprechenden Antrag verständigt. 

Keine Unterhaltsreform

Nicht fixiert wurde die viel diskutierte Unterhaltsreform, also der Unterhaltszuschuss für Alleinerzieher. Das Vorhaben, auf das sich die Parteichefs im Zuge einer Puls4-Diskussion geeinigt hatten, schaffte es nicht auf die Tagesordnung. SPÖ, ÖVP und FPÖ hatten unterschiedliche Vorstellungen, wie das Vorhaben umgesetzt werden soll. Und so hat am Donnerstag nicht einmal einer der drei unterschiedlichen Entschließungsanträge – in diesen wird die Regierung aufgefordert, eine Lösung zu finden – eine Mehrheit bekommen.

Nationalratswahl 2017

Die Nationalratswahl findet am 15. Oktober 2017 statt. Bundesweit treten zehn Listen an: SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne, Neos, Liste Pilz, Weiße, FLÖ, KPÖ PLUS, GILT.

Wahlprogramme: Was fordern die im Nationalrat vertretenen Parteien? Die Wahlprogramme von SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne und Neos im Überblick.

TV-Duelle und Chats: ORF und Privatsender veranstalten TV-Duelle. Die „Presse“ lädt alle Spitzenkandidaten der bundesweit antretenden Parteien zu Live-Chats: TV-Duelle und Chat-Termine im Überblick.

„Presse“-Services zur Wahl:Rainer Nowaks Wahlbriefing täglich um 7 Uhr in Ihrer Mailbox; WhatsApp-Service; SMS-Service.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2017)

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