Das Ende der Arbeit

Wir sollten uns den Menschen als etwas anderes denn als arbeitendes Tier vorstellen. Plädoyers für die Faulheit.

Lisz Hirn
Am Ende der Barbarei
„Die Liebe zu einem ist eine Barbarei: denn sie wird auf Unkosten aller übrigen ausgeübt.“ Ich stellte fest, dass alles, was ich über die Arbeit zu wissen glaubte, eng mit der Person meines Vaters zusammenhing. Er war für mich die Verkörperung des Animal laborans, des arbeitenden Tieres, das sich tagtäglich frühmorgens dem Schlaf entreißt und sich – mit scheinbar gleichmütiger Miene – den immer gleichen Prozessen hingibt. Das Unbehagen, das mich aufgrund seiner Verfasstheit befiel, kann ich erst heute in Worte fassen. Es hatte nichts mit der Angst vor den monotonen Anstrengungen der Arbeit oder mit pubertärer Antriebslosigkeit zu tun. Vielmehr beunruhigte mich der verschwenderische Umgang mit der Zeit, den die Arbeitnehmer, allen voran mein Vater, zu pflegen schienen: Sie gingen alle zur Arbeit, als ob sie ewig lebten. Untertags ließen sie ihre Zeit von den Arbeitgebern verbrauchen, um sie abends erschöpft vor dem Fernseher zu vergeuden.

Nichts zu arbeiten gilt als der größte Frevel; die Ausgestoßenen sind heute die Langzeitarbeitslosen, denen keinerlei Legitimation widerfährt, die nur auf das moralische Almosen einer Mindestsicherung hoffen können. Doch nicht nur die billige, ausländische Arbeitskraft bedroht die nationale Lohnarbeit, sondern auch die unmenschliche Konkurrenz: die Maschine. Das arbeitende Tier will nicht sehen, dass der Traum des Aristoteles in Erfüllung gegangen ist. „Unsere Maschinen verrichten feurigen Atems, mit stählernen, unermüdlichen Gliedern, mit wunderbarer, unerschöpflicher Zeugungskraft, gelehrig und von selbst ihre heilige Arbeit“, so Lafargue. Und weiter: Die Menschen „begreifen noch nicht, dass die Maschine der Erlöser der Menschheit ist, der Gott, der ihnen Muße und Freiheit bringen wird“. Stattdessen scheint die Furcht vorder Untätigkeit, der eigenen Ineffizienz, die Menschen voranzutreiben, und so verweigern sie sich sogar der letzten Bastion des absichtlichen Nichtstuns: dem Genuss.

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