Ein Kanzler mit 31?

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Wahl 2017: Ein Ruck nach rechts wegen der Migration. Sebastian Kurz könnte mit 31 Jahren Bundeskanzler werden. Dafür könnten die Grünen nach 31 Jahren nicht mehr im Nationalrat sein.

Sebastian Kurz könnte im Alter von 31 Jahren Bundeskanzler werden. Die Grünen könnten im Alter von 31 Jahren aus dem Nationalrat fliegen. Ersteres wird sich in Koalitionsverhandlungen, die sich möglicherweise länger ziehen werden, erweisen. Zweiteres in den kommenden Tagen, wenn alle Wahlkarten ausgezählt sind.

Alle Parteien rechts der Mitte haben bei dieser Wahl zugelegt. Allen voran die ÖVP. Dann die FPÖ. Und sogar auch die Neos ein wenig. Und der Rechteste unter den Linken, Peter Pilz, hat ebenfalls gewonnen. Dieser Rechtsruck in Österreich ist vor allem einem Thema geschuldet: der Migration. 38 Prozent der Österreicher halten den Komplex „Zuwanderung, Asyl und Migration“ in der Wahltagsbefragung von Peter Hajek für ATV für das relevanteste Thema, um das sich die nächste Regierung kümmern müsse. Abgeschlagen auf Platz zwei liegt die Bildung (18 Prozent), auf Platz drei Steuern (17 Prozent). Auch in der Erhebung von Sora war die Migration ein wichtiges Wahlmotiv. Aber auch Sebastian Kurz als Person zog – er war das wichtigste Wahlmotiv für ÖVP-Wähler bei Hajek und Sora.

Der SPÖ war es nicht gelungen, das Thema Migration wegzubringen und durch andere zu ersetzen. Hinzu kam noch ein inferiorer Wahlkampf. Mit wechselnden Botschaften und letztlich auch noch erwiesenem Dirty Campaigning. Und so verlor das erste Mal ein SPÖ-Bundeskanzler die Mehrheit an einen Konkurrenten. Viktor Klima war 1999 noch Erster geworden, hatte den Kanzler dann aber in den Koalitionsverhandlungen verspielt.

Kurz ausbremsen?

Jetzt könne es möglicherweise umgekehrt werden. Denn Rot-Blau ist nicht nur rechnerisch möglich, sondern durch den zweiten Platz der SPÖ auch wieder praktisch. Wäre die SPÖ nur Dritter geworden, Blau-Rot wäre auszuschließen gewesen. Einen Freiheitlichen hätten die Sozialdemokraten nicht zum Kanzler gemacht. Sich selbst von den Freiheitlichen zum Kanzler machen zu lassen – das ist denkbar und wird nun wohl zu größeren Debatten innerhalb der SPÖ führen. Rein atmosphärisch konnten SPÖ-Chef Christian Kern und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bisher gut. Und den Wahlsieger Sebastian Kurz auszubremsen, ist für beide durchaus verlockend.

Allerdings wird Strache hierbei stark unter Druck seiner Funktionäre stehen: Viele würden nicht verstehen, wieder einen Sozialdemokraten – noch dazu einen, der nur Zweiter wurde – zum Kanzler zu machen. Auch die freundliche Stimmung bei der ÖVP-Wahlparty – das Ergebnis für die FPÖ wurde ebenfalls bejubelt – wird möglicherweise das ihrige dazu beitragen.

Die größte Überraschung des Abends war wohl Peter Pilz: Ohne viel Budget, mit nur wenigen TV-Auftritten hat er es – voraussichtlich – in den Nationalrat geschafft. Er, der 1986 in das Parlament eingezogen war, ist nun der Erbe der Grünen dort.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2017)

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