Großer Jubel der Pilz-Mitstreiter nach einem Schreckmoment

Liste Pilz. Die neue Bewegung des abtrünnigen Grünen Peter Pilz war optimistisch, dass es mit dem Einzug ins Parlament klappt.

Wien. Der ORF-Boykott war bei der Wahlparty der Liste Pilz von kurzer Dauer – jedenfalls auf den Bildschirmen. Nachdem eine erste ATV-Hochrechnung mit 3,2 Prozent für Schockstarre, vors Gesicht geschlagene Hände und feuchte Augen gesorgt hatte, verbreitete sich im Schutzhaus Zukunft auf der Schmelz die Nachricht: Laut der Hochrechnung des ORF sei man sehr wohl im Parlament. Woraufhin aufs Öffentlich-Rechtliche umgeschaltet wurde – und Jubel aufbrandete: 4,3 Prozent der Stimmen, also knapp über der Hürde von vier Prozent, die die Liste Pilz für den Einzug in den Nationalrat braucht.

Ein Jubel, der eine halbe Stunde später beinahe ohrenbetäubend wurde. Als die „transparente“ Liste nämlich sogar noch zulegte und bei 4,4 Prozent stand. Bei Redaktionsschluss stand sie bei 4,3 Prozent. Einem Ergebnis, das zu dem Zeitpunkt freilich noch längst nicht fix war. „Der Abend bleibt noch spannend“, sagte Kandidatin Stephanie Cox. Grund für Optimismus war für die Pilz-Mitstreiter, dass die Wahlkarten und die großen Städte noch nicht ausgezählt waren. Und da sei das Pilz-Potenzial groß.

Dass es knapp werden würde, war absehbar – auch, wenn Listengründer Peter Pilz einst ambitioniert die Zweistelligkeit als Wahlziel ausgerufen hatte. Gestern Vormittag wollte er keine Prognose abgeben: Ob er es mit seiner Liste ins Parlament schaffen werde, wisse er nicht, sagte der 63-Jährige, als er in Kaisermühlen seine Stimme abgab. „Ein paar Stunden vor der Wahl verflüchtigt sich jede Gewissheit.“

Pilz hoffte bis zuletzt, zahlreiche frühere Nichtwähler mobilisieren zu können. Bei den Protestwählern sei ihm das gut gelungen. Viele Stimmen für den abtrünnigen Grünen dürften allerdings von der Mutterpartei gekommen sein – auch wenn Pilz stets betonte, es auf die eh schon verlorenen Grünen abgesehen zu haben („Die, die schon futsch sind“). Klar ist: Der „Solotänzer“, wie ihn die grüne Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek einst nannte, ist mitverantwortlich für das grüne Fiasko (siehe Seite 9), ob dessen auf der Schmelz auch ein Raunen durch den Saal ging.

In den Umfragen vor der Wahl war Pilz zuletzt stets hart an den vier Prozent gelegen, die für den Einzug in den Nationalrat notwendig sind. Meist lag er mit den Grünen gleichauf, zwischenzeitlich sogar vor der Mutterpartei. Diese hatte Pilz, der sich als interner Quertreiber nicht nur beliebt gemacht hatte, im Juni gekränkt verlassen, nachdem die Basis ihn bei der Liste durchfallen ließ und den jungen Julian Schmid nominierte.

Seine eigene Partei, die eigentlich nie eine sein sollte, war denn ein politisches Experiment: Pilz versuchte in seinem Soloprojekt, klassisch linke mit klassisch rechten Inhalten zu verbinden. Ein Parteiprogramm für die „transparente“ Liste gab es nicht: Die Personen – vom Ex-Grünen Bruno Rossmann bis zur Ex-Roten Daniela Holzinger-Vogtenhuber – seien Programme.

Konflikt mit dem ORF

Das Hauptprogramm war allerdings sowieso Pilz selbst. Der routinierte Selbstdarsteller genoss den Wahlkampf sichtlich. „Ich hatte eine Riesenfreud'“, sagte er zuletzt über den Wahlkampf. Dass ihn der ORF nicht zu den Debatten einlud, verzieh er allerdings nicht so schnell: Nicht nur, dass zunächst ATV lief: Die ORF-Fernsehjournalisten mussten (zunächst) nämlich draußen bleiben und durften erst nach einer Stunde ins Schutzhaus. Vielleicht war es die ORF-Hochrechnung, die Peter Pilz doch noch gnädig stimmte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2017)

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