Iraks Armee marschiert in Kirkuk ein

Irakische Sicherheitskräfte demolieren bei ihrem Vorstoß nach Kirkuk ein Plakat des kurdischen Präsidenten Barzani.
Irakische Sicherheitskräfte demolieren bei ihrem Vorstoß nach Kirkuk ein Plakat des kurdischen Präsidenten Barzani. (c) APA/AFP/AHMAD AL-RUBAYE (AHMAD AL-RUBAYE)
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Neuer Kriegsschauplatz: Spezialeinheiten der irakischen Streitkräfte drängten die kurdischen Peschmerga aus der Ölmetropole Kirkuk zurück und besetzten Regierungsgebäude.

Tunis/Kirkuk. Während der Islamische Staat im Irak so gut wie besiegt ist, zieht im Zweistromland der nächste Krieg herauf. Am Montag entluden sich die Spannungen zwischen dem Nordirak und der Zentralregierung in Bagdad, die durch das Unabhängigkeitsreferendum der Kurden ausgelöst wurden, in einer ersten militärischen Konfrontation.

Spezialtruppen der irakischen Armee, unterstützt von Einheiten der Bundespolizei sowie schiitischen Milizen, rückten in die Stadt Kirkuk ein. Sie besetzten die Regierungsgebäude im Zentrum der Stadt und hissten die irakische Flagge. Zuvor schon hatten sie die zentrale Militärbasis der kurdischen Peschmerga, den Militärflughafen, mehrere Industriegebiete, die Zentrale der Ölgesellschaft sowie das Baba-Gargar-Ölfeld, eines der sechs von beiden Kontrahenten beanspruchten Förderarealen, erobert. Bei Feuergefechten am Stadtrand wurden nach ersten Angaben mindestens ein Dutzend kurdische Kämpfer getötet. Tausende Kurden flohen in Autos und Bussen in die 100 Kilometer entfernte Provinzmetropole Erbil. Arabische Bewohner dagegen liefen den irakischen Soldaten entgegen und bejubelten sie.

Premier Haidar al-Abadi verkündete per Twitter, er wolle die Sicherheit in Kirkuk zusammen mit den Bewohnern und den kurdischen Kräften herstellen. Seine Truppen wies er an, Zusammenstöße mit den Peschmerga zu vermeiden und die Bürger zu schützen. Der Regierungschef unterstrich, er erfülle seine Verpflichtungen aus der Verfassung, indem er die Einheit des Landes verteidige.

Beide Kontrahenten sind Verbündete der USA im Kampf gegen den Islamischen Staat und verfügen über Waffen aus amerikanischen und europäischen Beständen. Man beobachte die Lage genau und sei „sehr besorgt über Berichte von einer Konfrontation“, hieß es aus dem Pentagon in Washington.

Bagdad hatte das überwältigend positive Unabhängigkeitsreferendum der nordirakischen Kurden vom 25. September für illegal und verfassungswidrig erklärt. Mit ihrem Veto weiß sich die irakische Führung einig mit den regionalen Nachbarn Teheran und Ankara. Auch die USA und Europa übten heftige Kritik an dem Vorgehen der Kurden. Das Weiße Haus befürchtet, die Kämpfe unter seinen Verbündeten könnten die Offensive gegen den IS ausgerechnet jetzt beeinträchtigen, wo die Terrormiliz kurz vor ihrem Ende steht.

Die Türkei und der Iran befürchteten Unruhen ihrer kurdischen Minderheiten und schlossen vorübergehend die Grenzen zum Nordirak. Bagdad sperrte die beiden kurdischen Flughäfen Erbil und Sulaimaniyah für den internationalen Luftverkehr, so dass die Region momentan weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten ist.

Der kurdische Regionalpräsident Massoud Barzani gab am Montag seinen Streitkräften grünes Licht, mit allen Mitteln zurückzuschlagen. Doch die Regierungsgebäude in Kirkuk fielen der irakischen Armee offenbar kampflos in die Hände. Die Kurden empört vor allem, dass sich unter den Angreifern auch die vom Iran gesteuerten schiitischen Hashd-al-Shaabi-Milizen befinden. „Das ist eine offene Kriegserklärung gegen die kurdische Nation“, wetterte das Oberkommando in Erbil.

Kurdische Rohölquelle versiegt

Der Status von Kirkuk ist seit dem Sturz von Saddam Hussein 2003 umstritten und wurde nie geklärt. Die ethnisch-religiös gemischte Metropole gehört nicht zum nordirakischen Autonomiegebiet, war aber Mitte 2014 nach dem Sieg des Islamischen Staates in Mossul von kurdischen Peschmerga besetzt worden. Seitdem exportiert der halbautonome Nordirak auch auf eigene Rechnung Rohöl aus Kirkuk zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan. Die Felder liefern mit 300.000 Barrel pro Tag gut 50 Prozent der Menge, die zuletzt von der Kurdenführung auf dem Weltmarkt verkauft wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2017)

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