Nach Wahlkarten-Auszählung müssen die Grünen auf ein Wunder hoffen

APA/ROLAND SCHLAGER
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Die SPÖ wird doch nicht erstmals in ihrer Geschichte Dritte bei einer Nationalratswahl. Dass es die Grünen ins Parlament schaffen, ist kaum noch anzunehmen.

Mit der Auszählung der Briefwahl am Montag überholte die SPÖ die FPÖ und liegt nun auf Platz 2. Die Grünen müssen sich darauf einstellen, den Nationalrat tatsächlich zu verlassen. Sie kamen Montagnacht nur auf 3,76 Prozent. Und am Donnerstag sind nur noch 36.000 Wahlkarten auszuzählen. Denn am Montag wurden bereits 758.588 per Post oder bei den Bezirkswahlbehörden im eigenen Wahlkreis abgegebene Briefwahl-Stimmen ausgezählt. 753.616 davon waren gültig, das waren beinahe 15 Prozent der bisher ausgewerteten gültigen Stimmen. Neos und Liste Pilz haben von den Briefwahlstimmen profitiert - sind sicher im Nationalrat vertreten.

Veränderungen haben die Briefwahlstimmen bei den Mandaten bewirkt: Die FPÖ hat nunmehr zwei weniger als im Sonntags-Ergebnis, nämlich 51 - und damit auch eines weniger als die SPÖ, die bei 52 blieb. Die ÖVP bekam noch eines (auf 62) dazu, ebenso die Neos (auf 10). Die Liste Pilz wird acht Abgeordnete stellen.

Vorläufiges Endergebnis

Das vorläufige Endergebnis inklusive Wahlkarten-Stimmen bis Montag: Es wurden  5.083.348 Stimmen abgegeben, davon waren 50.520 ungültig. Auf die SPÖ entfielen 1.351.918 Stimmen, das sind 26,86 Prozent. Die Liste Sebastian Kurz - die Neue Volkspartei bekam 1.586.106 Stimmen und erreichte 31,52 Prozent, die FPÖ kam auf 1.310.614 Stimmen oder 26,04 Prozent. Die Grünen erhielen 189.467 Stimmen oder 3,76 Prozent, NEOS kam auf 264.317 Stimmen oder 5,25 Prozent, die  Liste von Peter Pilz erhielt 220.088 Stimmen oder 4,37 Proent.

Hohe Wahlbeteiligung

Die Wahlbeteiligung ist bei dieser Nationalratswahl gestiegen wie nie zuvor in der Zweiten Republik: Schon nach Auswertung des ersten Teils der Briefwahl am Montag gab es einen Zuwachs von 4,50 Prozentpunkten auf nun 79,41 Prozent - und mit der Auszählung der noch ausständigen rund 36.000 Wahlkarten am Donnerstag wird das Plus auf fünf Punkte und die Beteiligung auf fast 80 Prozent steigen.

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Diese Nationalratswahl - die den vierten Machtwechsel der Zweiten Republik brachte - hat bewiesen, dass die Österreicher durchaus zu mobilisieren sind, wenn sie das Gefühl haben, dass es "wirklich um etwas geht". Das zeigte sich schon beim Bundespräsidenten-Wahlmarathon im Vorjahr. Da stieg am dritten Wahlsonntag, bei der Wiederholung der aufgehobenen Stichwahl, die Beteiligung überraschend noch einmal (auf 74,21 Prozent) an.

Ähnlich stark wie heuer wuchs die Beteiligung bisher erst einmal - und zwar auch bei einer von der ÖVP (damals Wolfgang Schüssel) ausgerufenen vorzeitigen Neuwahl im Jahr 1995. Damals stieg die Teilnahme um 4,04 Punkte auf 85,98 Prozent.

Ein großer Teil der Wähler nützt mittlerweile die Briefwahl: Fast 15 Prozent der gültigen Stimmen der Nationalratswahl wurden am Postweg oder per Briefwahlkarte im "eigenen" Wahlkreis abgegeben. Am Donnerstag müssen die Landeswahlbehörden noch rund 36.000 Stimmen auszählen, die am Wahlsonntag entweder per Wahlkarte oder per Briefwahl in einem "fremden" Wahlkreis abgegeben wurden. Die dann nicht ganz 80 Prozent sind allerdings bei weitem kein Rekordwert der nunmehr 22 Wahlen seit 1945. Denn bis 1986 lag die Beteiligung immer über 90 Prozent, bis 2002 nutzten noch immer mehr als vier Fünftel ihr Wahlrecht - und somit wird die jetzige Beteiligung nur die beste seit 2006. Bis 1992 bestand allerdings in einigen Bundesländern Wahlpflicht.

Weichen bei Regierungsbildung

Zwei Tage nach der Wahl könnten sich die ersten Schleier lichten, in welche Richtung die Regierungsbildung geht. Denn ÖVP und FPÖ treten am Dienstag zu Gremiensitzungen zusammen. VP-Chef Sebastian Kurz hat zwar Gespräche mit allen Parteien angekündigt. Eine Koalition mit den Freiheitlichen gilt jedoch als am wahrscheinlichsten. Beide Parteien haben aber eine weitere Option mit der SPÖ zur Hand.

Den innenpolitischen Tagesauftakt gestalten SPÖ und ÖVP gemeinsam, halten sie doch einen sehr kurzen Ministerrat ab. Direkt danach wandern die Regierungsmitglieder über den Ballhausplatz in die Präsidentschaftskanzlei, um ihre Demissionierung anzubieten. Den Usancen gemäß wird Bundespräsident Alexander Van der Bellen das Kabinett Kern danach bitten, die Geschäfte weiter zu führen. Ein Regierungsbildungsauftrag an Wahlsieger Kurz wird für Freitag nach Vorliegen des amtlichen Endergebnisses erwartet. Bis dahin will das Staatsoberhaupt Gespräche mit Spitzenvertretern der Parlamentsparteien führen.

Weichen ganz anderer Art haben die Grünen zu stellen. Ändert sich durch die Wahlkarten nichts mehr entscheidendes am Ergebnis, fliegen sie nach 31 Jahren aus dem Nationalrat. Wie mit der neuen Situation umzugehen ist, soll in einem Vorstand beraten werden.

Nationalratswahl 2017

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(Reuters)

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