Sebastian Kurz, ein Rechtspopulist?

ÖVP-Chef Sebastian Kurz
ÖVP-Chef Sebastian KurzREUTERS
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Das Ausland diskutiert die Frage, ob der ÖVP-Chef mit seiner Flüchtlingspolitik rechtspopulistische Tendenzen zeigt. Und was das für die FPÖ bedeutet.

"Österreich rückt nach rechts", fasste die internationale Presse den Wahlausgang in Österreich zusammen. Viele Medien sehen darin allerdings nicht nur die FPÖ unter Heinz-Christian Strache verantwortlich. Sie vergleichen ÖVP-Chef Sebastian Kurz mit den Regierungschefs der osteuropäischen Viségrad-Staaten - selbst mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban. Volkspartei und Freiheitliche surften auf "derselben flüchtlingsfeindlichen" Welle konstatierte etwa das linksliberale französische Blatt "Libération".

"Der wahre Rechtsruck war nicht der Erfolg der FPÖ, sondern die Art und Weise, in der Kurz die unpopuläre Mitte-Rechts-Partei ÖVP in eine starke nationalistische Bewegung umgewandelt hat", meinte auch Anshel Pfeffer, Korrespondent der israelischen Tageszeitung "Haaretz", das vorläufige Endergebnis. "Wenn eine ÖVP-FPÖ-Koalition zustande kommt, wird sie mehr den nationalistischen Regierungen in zentraleuropäischen Ländern wie Ungarn und Polen ähneln als der nüchternen Mitte-Regierung der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel", meinte Pfeffer.

Besonders in Deutschland kochte eine Debatte über Sebastian Kurz und seine restriktive Flüchtlingspolitik auf - auch im Hinblick auf die künftige Legislaturperiode unter Kanzlerin Angela Merkel. So warnte der frühere Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin am Dienstag vor rechtspopulistischen Tendenzen in der Union. Er sei besorgt, dass nach der Wahl in Österreich "viele in CSU und CDU den Weg von Sebastian Kurz einschlagen wollen", der mittlerweile den rechtspopulistischen Kurs der österreichischen FPÖ weitgehend kopiere, sagte Trittin der "Passauer Neuen Presse" vom Dienstag.

Ötsch: Wahlergebnis "Warnung für Deutschland"

Der österreichische Politbeobachter Walter Ötsch interpretiert die Entwicklung ähnlich. Er versteht das Wahlergebnis in seiner Heimat als „Warnung für Deutschland“. Gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ bedauerte der Professor für Ökonomie und Kulturgeschichte, der gerade das Buch „Populismus für Anfänger“ herausgegeben hat, dass man hierzulande „kein Mittel gegen die Rechtspopulisten gefunden“ habe – selbst die blaue Regierungsbeteiligung im Jahr 2000 habe „die FPÖ nicht entzaubert, sondern die Verhältnisse noch verschlimmert“.

Nicht nur die Freiheitlichen, auch Kurz habe in diesem Wahlkampf „viele grundlegende Ansprüchen an den Populismus erfüllt“, so Ötsch. Als Beispiel nennt er das zentrale Werbethema des 31-Jährigen, die Migration: „Er (Kurz, Anm.) täuscht aber darüber hinweg, dass die tatsächlichen Finanzmittel für Flüchtlinge im Bundeshaushalt nicht so ins Gewicht fallen. Diesen Kniff wenden Rechtspopulisten gerne an - und nun eben auch die Konservativen.“ Für die FPÖ von Heinz-Christian Strache „dürfte es ziemlich mühevoll werden“, vermutet Ötsch: Dessen bisheriges Alleinstellungsmerkmal - „Ablehnung von Ausländern“ - habe der ÖVP-Obmann nämlich vereinnahmt, Strache müsse daher nun ein neues Merkmal für sich finden.

"Nicht jeder verdient Stempel 'Rechtspopulist'"

Doch selbst deutsche Grünen-Politiker kritisieren, Kurz als einen "Rechtspopulisten" zu bezeichnen. Die Argumente des ÖVP-Chefs zur restriktiven Flüchtlingspolitik seien diskussionsfähig, meinte etwa der Tübinger Obermürgermeister Boris Palmer, der für seine markigen Sprüche bekannt ist, in der ARD-TV-Debatte "Hart aber Fair" am Montagabend. „Ich gebe auch zu, dass ich mich in meiner schwäbischen Heimat unwohler fühle“, so Palmer. „Die Kriminalitätsrate ist stark gestiegen. Es hat sich etwas verändert, das finde ich nicht gut, und das möchte ich sagen können, ohne als Rassist beschimpft zu werden."

Ähnlich argumentierte die "Neue Osnabrücker Zeitung". "Nicht jeder, der solcherart konservative Politik betreibt, verdient den Stempel 'Rechtspopulist'", heißt es in einem Kommentar. "Wer mit solchen in Form der FPÖ als wahrscheinlichem Koalitionspartner aber kooperiert, der sollte taktisch versiert genug sein, die Nationalisten nicht über die Stränge schlagen zu lassen."

>>> Ötsch in der "Süddeutschen Zeitung".

>>> "Hart aber Fair."

>>> Kommentar in der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

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(maka/hell)

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