Das Megaschiff China steuert neue Ziele an

Heute beginnt in Beijing der 19. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas. Er wird Auswirkungen auf die Entwicklungen in der Volksrepublik und in der ganzen Welt haben. Umso mehr Aufmerksamkeit verdient das Ereignis.

Als Deng Xiaoping bei seinem Japan-Besuch 1978 mit dem Shinkansen-Hochgeschwindigkeitszug fuhr, fragte man ihn nach seinem Eindruck. Er antwortete: „Mit einem Wort: Schnell. So, als ob jemand uns zum Laufen schieben würde. Wir brauchen es dringend, zu laufen.“

Im selben Jahr startete China seine Reform- und Öffnungspolitik, die die Geschichte des Landes verändert hat. Deng Xiaoping formulierte eine „Dreischritte-Entwicklungsstrategie“, die China in die Reihe entwickelter Länder verhelfen soll: Beginnend mit Ende der 1970er Jahre sollte sich Chinas Wirtschaft in drei Phasen entwickeln, um bis Mitte des 21. Jahrhunderts das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf wie in einem durchschnittlichen entwickelten Land zu erzielen. Die Chinesen würden dann in einem relativen Wohlstand leben und das Land im großen und ganzen modernisiert sein.

Was China erfolgreich macht

40 Jahre sind seither vergangen und China verfügt nun mit 22.000 Kilometer über das längste Netz der Welt für superschnelle Züge. Die 1318 Kilometer zwischen Beijing und Shanghai legt so ein Zug in nur viereinhalb Stunden zurück.

700 Millionen Chinesen haben sich aus bitterer Armut befreien können, bei einer Einwohnerzahl von heute 1,3 Milliarden. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf wurde von einst weniger als 190 auf inzwischen 8260 US-Dollar gesteigert. China ist weltweit die zweitgrößte Volkswirtschaft, führend im Handel, bei den Devisenreserven und im Tourismus. China ist zu einem großen Land für Investition, Produktion und Innovation geworden.

Die übrige Welt fragt: Was macht China so erfolgreich? Die Antwort ist klar: Die Bevölkerung will Armut und Rückständigkeit hinter sich lassen und strebt ein glückliches Leben an. Die Kommunistische Partei passt sich den Wünschen der Bevölkerung an und führt das Land mit Tat und Kraft. Wie turbulent die Weltlage auch immer sein mag, die Partei bewahrt Kontinuität in der Politik, sieht die ökonomische Entwicklung als Kernaufgabe an und hält an der Vertiefung der Reformen, an der weiteren Öffnung des Landes sowie an der friedlichen Entwicklung fest.

Auf dem 18. Parteitag 2012 wurde Xi Jinping zum Generalsekretär der KP gewählt und er setzte sich die Ziele „Zweimal hundert Jahre“: das BIP und die Einkommen pro Kopf sollen sich bis zum Jahr 2020 im Vergleich zu 2010 verdoppeln; 2021 feiert Chinas KP dann ihr 100jähriges Bestehen. Eine Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand soll umfassend vollendet werden. Weiters soll bis Mitte des 21. Jahrhunderts, zum hundertjährigen Bestehen der Volksrepublik, China ein wohlhabendes, demokratisches, zivilisiertes, harmonisches und modernes Land sein. „Der Traum der Wiedererneuerung der chinesischen Nation“ soll bis dahin realisiert sein.

Zufriedene Bevölkerung

Die vergangenen fünf Jahre waren außergewöhnlich. Chinas Wirtschaft wuchs pro Jahr durchschnittlich um 7,2 Prozent und trug mehr als 30 Prozent zum Weltwirtschaftswachstum bei. Jedes Jahr verabschiedeten sich weitere zehn Millionen Chinesen aus der Armut. In punkto Innovation rückte China vom 34. Platz (2012) auf den 22. Platz vor und gehört als einziges Land mit einem mittleren Einkommen zu den Top 25 innovativsten Staaten.

Die Zufriedenheit der Bevölkerung mit der strengen Parteidisziplinierung und Korruptionsbekämpfung stieg von 75 auf 93,9 Prozent. Großprojekte wie die bemannte Raumfahrt, Großraumflugzeuge, der weltschnellste Supercomputer etc. reüssierten. Das weltgrößte Radioteleskop, die längste Meeresbrücke, der größte vollautomatische Seehafen, das gigantische Süd-Nord-Wassertransferprojekt wurden fertiggestellt.

Hochgeschwindigkeitsbahn, mobile Zahlung, Online-Shopping und Fahrrad-Sharing gelten als Chinas neue Erfindungen. Alles ist erst dank der unermüdlichen Bemühungen der Bevölkerung und der starken Führung der Partei im Sinne der neuen Leitideen „Innovation, Ausgewogenheit, Grün, Offenheit und gemeinsame Teilhabe“ möglich geworden.

Der 19. Parteitag der KP Chinas findet in der entscheidenden Phase zur Erreichung des ersten der Ziele von „Zweimal hundert Jahre“ und der Entwicklung des Sozialismus chinesischer Prägung statt. Besonders beachtenswert sind folgende Punkte:
?1. „Sozialismus chinesischer Prägung“: Das ist ein Faden, der sich durch alle Theorien und die Praxis der KPCh seit Einführung der Reform- und Öffnungspolitik zieht und sich als richtig erwiesen hat. China will aus guten Erfahrungen anderer Länder lernen, doch lehren uns Geschichte und Gegenwart: China darf weder den Weg der früheren Sowjetunion noch den Weg des Westens einschlagen, sondern muss einen eigenen Kurs finden.
?2. „Die neue Entwicklungsphase“: Nach 40 Jahren Reformen und Öffnung steht China an einem neuen historischen Start. Der Parteitag wird die Lage Chinas und der Welt analysieren, Aktionspläne und die politische Ausrichtung für den Aufbau einer Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand bis 2020 festlegen, und darüber hinaus die Grundlage für die Erreichung des zweiten der Ziele „Zweimal hundert Jahre“ schaffen.
?3. „Reform und Öffnung, friedliche Entwicklung“: Nur durch Reformen und Öffnung kann das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche System Chinas laufend optimiert und weiterentwickelt werden; dafür sind Stabilität und Frieden in China und der Welt vonnöten. Die Volksrepublik China befürwortet die ökonomische Globalisierung und Handelsliberalisierung, wirkt bei der friedlichen Beilegung internationaler Konflikte aktiv mit, treibt die Seidenstraßen-Initiative („One Belt One Road“) energisch voran und setzt sich für eine Schicksalsgemeinschaft der Menschheit ein.

Xi Jinping als Kern

?4. „Erneuerung der Theorie“. Die Partei hält an der marxistischen Grundtheorie fest, betont aber ihre Verknüpfung mit den chinesischen Gegebenheiten und die ständige Weiterentwicklung des Marxismus. Die Praxis ist das einzige Kriterium der Wahrheit. Der 19. Parteitag wird die bewährte Theorie befolgen, erneuern und zur Leittheorie für die neue Epoche machen.
?5. „Parteidisziplinierung“. Seit der Gründung der Partei sind 96 Jahre verstrichen. Aus etwa 50 Parteimitgliedern am Anfang sind nun 89 Millionen geworden, mehr als die Bevölkerungen Österreichs und Deutschlands zusammen.

Als Regierungspartei muss die KP sich zuerst selbst gut verwalten, um das Land gut zu regieren. Die Führung der Partei mit Xi Jinping als Kern zu stärken, die Parteidisziplin zu verschärfen und die Korruption zu bekämpfen, den Rechtsstaat voranzubringen, stehen ebenfalls ganz oben auf der Tagesordnung.

Das Megaschiff China wird erneut in See stechen. Seine Stabilität und Fortschritte sind sowohl für das Land selbst als auch für die Welt von großem Vorteil.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2017)

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