Hauptstadt des IS-Reichs gefallen

 Im Juni hatte die Offensive der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) auf die erklärte Hauptstadt des Kalifats begonnen.
Im Juni hatte die Offensive der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) auf die erklärte Hauptstadt des Kalifats begonnen.(c) REUTERS (ERIK DE CASTRO)
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Die Terrormiliz hat ihre Bastion in Syrien nach viermonatiger Besatzung verloren. Ein Großteil der letzten jihadistischen Kämpfer hatte am Samstag freies Geleit erhalten.

Tanger/Raqqa. Der Spuk ist zu Ende: Mit der Befreiung Raqqas hat der IS seine letzte große Basis in Syrien und im Irak verloren. Im Juni hatte die Offensive der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) auf die erklärte Hauptstadt des Kalifats begonnen. Die Militärallianz aus Kurden, Arabern, Christen und Turkmanen wurde bei ihrem Angriff von den USA mit Waffen, Aufklärung und über 3000 Luftangriffen unterstützt. Französische Eliteeinheiten beteiligten sich. Insgesamt mussten 270.000 Bewohner aus Raqqa und Umgebung fliehen.

Die Befreiung der Stadt, in der der IS seine großen Siegesparaden abgehalten hatte, kam dann doch etwas überraschend. „Ende Oktober oder auch etwas später“ hatte einer der führenden Kommandanten noch vor zwei Wochen prognostiziert. Der Grund für den schnellen Erfolg war ein „Deal“ mit einem Großteil der IS-Kämpfer, die sich mit hunderten von Zivilisten als menschliche Schutzschilde verschanzt hatten. Der Zivilrat von Raqqa und Stammesälteste handelten im Gegenzug für den freien Abzug von rund 200 Terroristen und ihrer Familien die Freilassung der Geiseln aus. Am Samstag sollen sie in 30 Bussen und zehn Lastwagen abtransportiert worden sein, wie ein bekanntes Aktivistennetzwerk, gemeldet hatte. Ein Teil der IS-Leute kämpfte jedoch bis zum Tod.

Hier fühlte sich der IS sicher

Mit der Vertreibung aus Raqqa verliert der IS einen seiner symbolträchtigsten Orte. Es war die Hauptstadt des Kalifats, das IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi im Juni 2014 ausgerufen hatte. Raqqa galt als Perle des IS-Reichs. Sie war das Zentrum der Terrororganisation, in der Herrschafts- und Verwaltungsfragen entschieden wurden. Hier wurden die Feldzüge in den Irak geplant und Anschläge in Europa. Gleichzeitig war die Stadt ein Ort des „Amüsements“, in der die Führung entführte Jesidinnen am laufenden Band vergewaltigte. Hier, in Raqqa, mitten im Landesinnern, fühlte sich die Terrorgruppe sicher. Schon an den Checkpoints der Einfahrtstraßen wurde klar gemacht, wo sich die Besucher befanden. „Immer hatten sie dort Köpfe auf Stöcken ausgestellt oder auf der Straße drapiert“, sagte ein türkischer Autohändler, der regelmäßig nach Raqqa fuhr, um dort Geschäfte zu machen. Viele seien auch in die Stadt gekommen, um zu Shoppen oder zum Arzt zu gehen, sagt er. Denn nur in Raqqa waren Waren und Medikamente, die sonst nicht aufzutreiben waren.

Nach der Vertreibung des IS wird nun der Zivilrat von Raqqa die gesamte Verwaltung übernehmen und versuchen, zumindest die Basisversorgung mit Wasser und Elektrizität wieder herzustellen.

Der letzte IS-Zufluchtsort am Euphrat ist nun ein schmaler Streifen von rund 100 Kilometern, der sich bis zur Grenze des Iraks erstreckt. In diesem Gebiet südlich von al-Mayadin werden nun geflüchtete IS-Kämpfer vermutet, darunter auch IS-Führer al-Baghdadi.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2017)

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