Kirkuk: Bagdad profitiert vom kurdischen Bruderzwist

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Die internen Streitigkeiten der Kurden haben es der irakischen Regierung erlaubt, nach dem Zerfall des IS-Reichs die Provinz Kirkuk unter ihre Kontrolle zu bringen.

Wenn zwei sich streiten, lacht der Dritte: Diese alte Volksweisheit scheint sich dieser Tage im Nordirak zu bewahrheiten, wo es die internen Rivalitäten der Kurden der irakischen Zentralregierung erlaubt haben, in kürzester Zeit die Provinz Kirkuk praktisch kampflos unter ihre Kontrolle zu bringen.

Für die Kurden ist der Verlust der ölreichen Provinz ein schmerzhafter Rückschlag und bedeutet womöglich das Ende ihres Traums vom eigenen Staat. Wegen des niedrigen Ölpreises und der Folgen des Anti-IS-Kampfes kämpft die Kurdenregion ohnehin seit Jahren mit einer schweren Wirtschaftskrise. Für den Irak-Experten Cyril Roussel bedeutet der Verlust der Ölfelder bei Kirkuk "das Ende der wirtschaftlichen Autonomie Kurdistans und des Traums von der Unabhängigkeit".

Am Mittwoch verkündeten die irakischen Streitkräfte auch von Kurden kontrollierte Gebiete in der nördlichen Provinz Ninive bei Mosul eingenommen zu haben. Zu den übernommenen Stellungen gehört den Angaben zufolge auch die Mosul-Talsperre, die rund 40 Kilometer nördlich der Metropole liegt. Sie dient der Strom- und Wasserversorgung großer Gebiete am Tigris und war zeitweise in der Hand der Extremistenmiliz "Islamischer Staat" (IS).

Auslöser der Offensive auf Kirkuk war das Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Autonomieregion im Nordirak. Kurdenpräsident Massoud Barzani von der Demokratischen Partei Kurdistans (DPK) hatte den Volksentscheid durchgezogen, obwohl seine Rivalen von der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) sein Vorgehen angesichts des erbitterten Widerstands der Zentralregierung für falsch hielten.

Vorwurf: Bereichert sich Barzani an Ölfeldern?

Heute fühlt sich die PUK in ihrer Haltung bestätigt. Der Volksentscheid am 25. September sei von Barzani "mit Gewalt durchgesetzt" worden, beklagt die PUK-Abgeordnete Ala Talabani. Der Kurdenpräsident habe alle Aufrufe zur Verschiebung der Abstimmung ignoriert und die Vermittlungsangebote der UNO ebenso abgelehnt wie den Kompromissvorschlag von Staatspräsident Fouad Massoum.

Zwar brachte das Referendum wie erwartet eine Mehrheit für die Unabhängigkeit, doch sah sich Barzani in seiner Hoffnung enttäuscht, damit seine interne Position zu festigen und gestärkt in Verhandlungen mit der Zentralregierung zu gehen. Nicht nur lehnt Iraks Ministerpräsident Haider al-Abadi Verhandlungen auf der Grundlage des Referendums ab, sondern es wächst auch intern die Kritik an Barzani.

Die PUK fühlt sich schon lange von Barzani übergangen und beschuldigt ihn, sich an den Einnahmen aus den Ölfeldern zu bereichern, die im Kampf gegen die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) erobert worden waren. "Die Medien von Massud Barzani werfen uns Verrat vor, doch niemand weiß, wo das Geld aus den Ölquellen hingeflossen ist, die Barzanis Partei seit Juni 2014 kontrolliert", sagt Talabani.

Als nun die irakischen Regierungstruppen auf Kirkuk vorrückten, zogen sich die Truppen der PUK im Süden der Provinzhauptstadt zumeist kampflos zurück. Ein PUK-Vertreter in Kirkuk kritisierte, Ministerpräsident al-Abadi habe vor dem Referendum angekündigt, Kirkuk zu besetzen, sollte Barsani seine Referendumspläne nicht aufgeben, doch habe dieser alle Warnungen ignoriert.

Einzug von Kirkuk kampflos erlaubt

Der PUK-Vertreter beklagte zudem, das von Barzani kontrollierte Peschmerga-Ministerium habe sich nicht um die PUK-Truppen südlich von Kirkuk gekümmert und ihnen nicht die nötigen Waffen gegeben, um sich der Armee widersetzen zu können. Einige Kommandeure der Peschmerga hätten es daher vorgezogen, mit den Regierungstruppen zu kooperieren und ihnen kampflos den Einzug nach Kirkuk zu erlauben.

Ein Peschmerga-Kommandeur südlich von Kirkuk sagte, sie hätten seit Tagen die Führung um Verstärkung gebeten, da sie einer Schlacht mit den Regierungstruppen nicht gewachsen seien. Als dann 350 Panzer ihre Stellungen angegriffen hätten, wobei zehn Peschmerga getötet und dutzende weitere verletzt worden seien, hätten sich ihre Truppen zurückziehen müssen, sagte der Kommandeur.

Die Peschmerga-Führung in Erbil warf "gewissen PUK-Vertretern" vor, die Kurden verraten zu haben. Der Kommandeur der Anti-Terror-Kräfte in der PUK-Hochburg Suleimanija beschuldigte dagegen Barzani, statt sein Volk zu verteidigen, sei er nur damit beschäftigt, "das Öl zu klauen und seinen Einfluss auszuweiten". "Wir werden nicht länger unsere Söhne für den Thron von Massud Barzani opfern", sagte er.

(APA/AFP/Abdallah Ibrahim)

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