Iran: Oppositionsführer Moussavi zu "Märtyrertum bereit"

Oppositionsfuehrer Moussavi auf Plakaten
Oppositionsfuehrer Moussavi auf Plakaten(c) EPA (Abedin Taherkenareh)
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Auch am Silvestertag kam es erneut zu Zusammenstößen in Teheran. Die Regierung will ohne Gnade gegen die Demonstranten vorgehen. "Ich habe keine Angst, für das Volk zu sterben", erklärt indes Moussavi.

Die Regimekritiker im Iran geben nicht auf. Im Zentrum der Hauptstadt Teheran kam es auch am Donnerstag zu neuen Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften. Nach Angaben der Webseite von Oppositionsführer Mir-Hossein Moussavi weiteten sich die Proteste gegen Präsident Mahmoud Ahmadinejad am Abend des letzten Tags des Jahres aus. Auch am Vali-Asr-Platz kam es demnach zu Ausschreitungen.

"Keine Angst, für Volk zu sterben"

Moussavi sieht sein Land in einer "ernsthaften Krise". Die Regierung von Präsident Mahmoud Ahmadinejad müsse "ihre Verantwortung für die Probleme übernehmen, die sie im Land geschaffen hat", hieß es in der am Freitag auf Moussavis Website kaleme.org veröffentlichten Stellungnahme. Er forderte die Freilassung der politischen Gefangenen. "Ich habe keine Angst, für die Bedürfnisse des Volkes zu sterben", erklärte er auf seiner Homepage.

"Ich erkläre ausdrücklich und eindeutig, dass ein Befehl, Oppositionsführer hinzurichten, zu ermorden oder einzukerkern, das Problem nicht lösen würde." Er habe keine Angst, ein Märtyrer zu werden, der "im Kampf für die gerechten Forderungen des Volkes sein Leben gibt". Er sei "zum Märtyrertum bereit". Zugleich warnte er vor einer weiteren Verschärfung der Lage. Die Festnahme oder Tötung von ihm oder Oppositionspolitiker Mehdi Karroubi werde die Lage nicht beruhigen. "Drohungen werden interne Unruhen auslösen."

Scharfe Kritik an Hardlinern

Moussavi erklärte, mit den Repressionen erreiche die iranische Führung nichts. Mit Festnahmen, "Eurer Gewalt, Euren Drohungen, Euren Schließungen von Zeitungen und anderen Medien" könne sie vielleicht die Lage beruhigen. "Aber was sagt das über die Art aus, in der ihr Euch den Wandel in der öffentlichen Meinung über die Islamische Republik bewusst macht?", fügte Moussavi hinzu.

Moussavi übte scharfe Kritik an Hardlinern, die von staatlichen Podien Gewalt gegen Oppositionsanhänger predigten: "Zum Töten von Menschen zu ermutigen, ist eine Tragödie, die von bestimmten Individuen und dem staatlichen Fernsehen ausgelöst wird." Es werde aber nicht gelingen, die Opposition "mit Verhaftungen, Gewalt und Drohungen" zum Schweigen zu bringen. Die Behörden forderte er auf, die seit Sonntag mehr als 500 verhafteten Demonstranten freizulassen.

Moussavi forderte zudem Änderungen am Wahlrecht. Die Proteste im Iran hatten sich im Juni an der umstrittenen Wiederwahl von Präsident Mahmoud Ahmadinejad entzündet. Seither hat sich die Lage verschärft. Bei Demonstrationen am vergangenen Sonntag waren acht Menschen ums Leben gekommen. Hunderte wurden festgenommen, darunter auch die Schwester von Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi und mehrere Berater Moussavis.

Regierung droht mit Härte

Die iranische Regierung hat mit einem unnachgiebigen Vorgehen gegen die Anführer der Protestbewegung gedroht. "Wir rufen die Oppositionsführer erneut auf, ihren Weg von dem der ausländischen Feinde und der antirevolutionären Gruppen zu trennen", erklärte das Geheimdienstministerium. "Andernfalls werden wir ohne Gnade gegen sie vorgehen."

Der stellvertretende Justizchef Ebrahim Raisi bezeichnete alle Demonstranten am Freitag im staatlichen Rundfunk als "Feinde Gottes", die Sprechchöre gegen den geistlichen Führer Ali Khamenei gerufen hätten. Ihnen droht damit in der Islamischen Republik die Todesstrafe.

Kritik am geistlichen Oberhaupt ist im Iran ein Tabu - sich Khamenei zu widersetzen wird damit gleichgesetzt, sich Gott zu widersetzen. Raisi nannte die Demonstranten auf Farsi "Mohareb" - Feinde Gottes. Das ist im Iran ein Straftatbestand, auf den die Todesstrafe steht. "Diejenigen, die randalieren, beleidigen Heiligkeiten", sagte der stellvertretende Justizchef. Dies sei ein "unzweifelhafter Beweis" dafür, sich Gott zu widersetzen.

Gefälschtes Video?

Unterdessen gaben die iranischen Behörden an, dass ein vom US-Fernsehsender CNN ausgestrahltes Video eines Polizeiwagens, der angeblich am Sonntag einen Demonstranten überfuhr, eine Fälschung sein könnte. CNN hatte ein verwackeltes Video gesendet, auf dem zu sehen war, wie ein grünweißer Pick-up-Wagen der Polizei in eine Menge rast und unter dem Schreien der Menschen einen Demonstranten überfährt. Am Sonntag habe es einen Unfall im Westen Teherans gegeben, dort habe ein Privatwagen Demonstranten angefahren, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstag nach Angaben der Nachrichtenagentur ISNA. Eine Untersuchung sei eingeleitet worden.

Wo befinden sich die Oppositionsführer?

Über den Aufenthaltsort der Oppositionsführer Moussavi und Mehdi Karroubi lagen auch am Donnerstag widersprüchliche Angaben vor. Die staatliche iranische Nachrichtenagentur IRNA berichtete am Abend, die Oppositionspolitiker seien aus Furcht um ihr Leben aus Teheran geflohen. Sie hätten sich - zumindest am Mittwoch - in der nordiranischen Stadt Salman aufgehalten.

Dagegen hatte die iranische Nachrichtenagentur FARS laut dem staatlichen Fernsehsender PressTV am späten Mittwochabend informierte Kreise mit den Worten zitiert: "Die Berichte über die Flucht der Anführer der Aufständischen aus Teheran wurden dementiert." Auch auf Webseiten der Opposition waren die Berichte dementiert worden. Karroubis Sohn Mohsen sagte dem Internetdienst "Parliament-News", dass sowohl sein Vater als auch Moussavi nach wie vor in Teheran seien. Auch auf Jaras wurden die Behauptungen zurückgewiesen.

(Ag./Red.)

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