Die Tiroler Sozialdemokraten wollen in Opposition, die Linzer eine Koalition mit den Freiheitlichen.
Wien. Die Annäherung der FPÖ an den Gedanken einer schwarz-blauen Koalition könnte das Thema zwar bald obsolet machen – in der SPÖ wird aber immer noch heftig um eine einheitliche Linie gegenüber den Freiheitlichen gerungen. Am Mittwoch haben sich Ländervertreter mit unterschiedlichen Positionen zu Wort gemeldet. Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger sprach sich dezidiert für eine Koalition mit der FPÖ aus: „Wenn es inhaltlich passt, bin ich für die Option mit der FPÖ“, sagte er den „Oberösterreichischen Nachrichten“.
Luger, der mit der FPÖ zusammenarbeitet, plädierte für Sondierungsgespräche sowohl mit ÖVP wie FPÖ. „Die Sozialdemokratie darf nicht den Eindruck erwecken, dass wir uns ins Schmollwinkerl zurückziehen, weil wir nicht stärkste Partei sind.“ Man müsse aufhören, eine Partei, die im Nationalrat ist, auszugrenzen. „Das war mit Teil des Aufstiegs der FPÖ, und hat es ihr erleichtert, in eine Märtyrer-Rolle zu schlüpfen.“
Ganz anders die Position der Tiroler Landeschefin Elisabeth Blanik, die sich klar für den Gang in die Opposition ausspricht. Eine Zusammenarbeit mit der FPÖ sei für sie ausgeschlossen, „das ist für mich unvorstellbar“. Das sei auch die Mehrheitsmeinung im Landesparteivorstand. Aber auch eine Zusammenarbeit mit der ÖVP ist für Blanik „nach diesem Wahlkampf“ und allem, was sich ereignet habe, „undenkbar“. Blanik liegt mit ihrer Haltung zur FPÖ auf einer Linie mit dem Wiener Bürgermeister Michael Häupl, der schon am Dienstag vor der Gefahr einer Parteispaltung im Falle einer rot-blauen Koalition gewarnt hatte. Bundeskanzler Christian Kern sieht übrigens keine Differenzen mit Häupl: Es gebe einen Beschluss der Gremien zur Aufnahme von Gesprächen mit allen Parteien, meinte er nach einem Vier-Augen-Gespräch bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Häupl unterstütze das.
Auch der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl meldete sich am Mittwoch mit einer – etwas vorsichtigeren – Positionierung zu Wort. Niessl, der allgemein als wichtigster Verfechter einer Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen gilt, sagte, eine Koalitionsbeteiligung der SPÖ solle es „nicht um jeden Preis“ geben. Auf einen bevorzugten Koalitionspartner wollte er sich nicht festlegen. Verhandlungen mit den Freiheitlichen würden sich schwierig gestalten, „was aber nicht heißt, dass es unmöglich ist“.
Kern sicher im Sattel? „Schaut so aus“
Ex-Vizekanzler Hannes Androsch (SPÖ), der sich schon früher dafür ausgesprochen hat, unter bestimmten Bedingungen mit den Freiheitlichen zu sprechen, hat auch jetzt keine Bedenken. „Es gibt zwischen allen drei Parteien Deckungsmengen, es gibt Trennmengen“, sagte er am Mittwoch im Gespräch mit der „Presse“. Man müsse nun herausfinden, in welcher Kombination man am ehesten etwas erreichen könne.
Die Opposition sei kein politisches Ziel, man müsse aber auch nicht um jeden Preis regieren. „Das hängt von den Möglichkeiten ab, die sich in bilateralen Gesprächen ergeben.“ Zum Zustand der SPÖ sagt er: Der zweite Platz sei zwar schmerzhaft – das Ziel für eine größere Partei sei schließlich immer, die Nummer eins zu sein –, die SPÖ habe aber wesentlich besser abgeschnitten als die Sozialdemokratie in anderen Ländern, etwa in Deutschland oder Frankreich. Ob Kern fest im Sattel sitzt? „Schaut so aus.“
ÖGB droht mit Widerstand
Die Gewerkschaft stellt sich unterdessen schon auf Schwarz-Blau ein und kündigt Widerstand an. Der ÖGB-Bundesvorstand, dem auch christlich-soziale Gewerkschafter angehören, hat am Mittwoch eine Resolution beschlossen, in der alle Parteien aufgefordert werden, die Rolle der Sozialpartner anzuerkennen und sie weiterhin in Verhandlungen einzubinden. Wer den sozialen Frieden aufs Spiel setze, habe mit Widerstand der Gewerkschaftsbewegung zu rechnen, hieß es in einer Aussendung.
Hintergrund für die Initiative ist, dass der mögliche neue Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) angekündigt hatte, dem Gegenwind seitens der Sozialpartner künftig nicht so leicht nachgeben zu wollen. Von den im Nationalrat vertretenen Parteien werden Bekenntnisse zur Sozialpartnerschaft, zu gesetzlichen Mitgliedschaften in den Kammern, zum Kollektivvertragssystem und zur Selbstverwaltung in der Sozialversicherung gefordert.
Vor allem die Pflichtmitgliedschaft in der Arbeiterkammer könnte zu einem Streitthema werden: Die Freiheitlichen wollen sie abschaffen, Unterstützung und damit eine Verfassungsmehrheit gäbe es mit den Neos – so auch die ÖVP dafür ist. Unterstützung erhoffen sich Gewerkschaft und Arbeiterkammer vom Sozialpartner: Auch die Wirtschaftskammer will die Pflichtmitgliedschaft beibehalten. Keine Unterstützung kommt von der Industriellenvereinigung: Wenn die Sozialpartnerschaft nicht mehr funktioniere – wie bei der Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten – dann müsse deren Rolle diskutiert werden, heißt es in einer Aussendung. (maf/beba/APA)
Titel: Nationalratswahl 2017
Detailergebnisse zu Bundesländern, Bezirken und Gemeinden sowie Wahlbeteiligung, Mandatsverteilung, Koalitionsrechner und Wählerstromanalyse finden Sie im "Presse"-Wahlcenter.
Alle Reaktionen, Kommentare, Reportagen und Analysen rund um die Nationalratswahl 2017 auf www.diepresse.com/wahl17
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2017)