Voggenhuber an Grüne: "Ja, es hat Euch der Blitz getroffen"

Johannes Voggenhuber
Johannes VoggenhuberAPA/GEORG HOCHMUTH
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Der langjährige Grüne legt in seiner Kritik an der Partei nach. Diese habe nun Schulden, aber keine Mitarbeiter - weil man sie zu einem "Kartenhaus gemacht" habe. Und er fragt: Wer soll nun reparieren, "was Ihr zerstört habt"?

Während des Wahlkampfes hatten sie den Mantel des Schweigens um sich gehüllt - zumindest, was mediale Stellungnahmen zu ihrer Partei betraf. Nun, wenige Tage nach dem grünen Debakel bei der Nationalratswahl, das nach 31 Jahren den Auszug aus dem Parlament mit sich brachte, melden sie sich hingegen Alt-Grüne zu Wort: Erst war es Johannes Voggenhuber, der der Partei die Neugründung nahelegte, dann Christoph Chorherr, der den Vorschlag aufgriff und kritisierte: "Wir waren zu belehrend." Nun ergreift neuerlich Voggenhuber die Initiative.

Auf seiner Facebookseite veröffentlichte der ehemalige EU-Parlamentarier einen langen Eintrag, in dem er sein langes Schweigen rechtfertigt: So wollte er als einer der Gründer der Grünen "und langjähriger ungehörter Kritiker ihrer Entwicklung an ihrer Selbstzerstörung keinerlei Anteil haben". Auch habe er zu ÖVP-Chef Sebastian Kurz und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache "nichts mehr zu sagen, seit ich erkennen musste, dass jegliches rationale oder ethische Argument gegen sie längst müßig geworden ist".

"Viele Jahre seid ihr gegen jegliche Kritik resistent" 

Voggenhuber geht auf die Entwicklung der Grünen ein und zeigt sich von deren Klagen über den Wahlausgang verärgert. So richtet er den grünen Entscheidungsträgern aus: "Ja, es hat Euch der Blitz getroffen, der des Zorns und der Enttäuschung Eurer Wähler und Wählerinnen. Aber nicht aus heiterem Himmel. Viele Jahre habt Ihr die Gewitterwolken nicht wahrnehmen wollen, das Donnergrollen mit buntlustigen, infantilen Events, von Plakatwänden blökenden Lämmern und Sprechblasen übertönt und habt das Wetterleuchten einfach geleugnet. Viele Jahre schon seid ihr gegen jegliche Kritik resistent."

Versprechen, Prinzipien und Ideale der Gründerzeit seien "in zynischer Überheblichkeit über Bord" geworfen worden. Die innerparteiliche Demokratie sei "abgewürgt" worden, ebenso seien über Jahre hinweg Programmarbeit und gesellschaftspolitische Analyse eingestellt worden.

Sein Fazit: "Diese Partei, gedacht als Spielbein einer Umwelt-Demokratie-Sozial-Frauen- und Friedensbewegung und heute auch einer Bewegung für die politische Einigung Europas konnte nur deshalb an einem einzigen Tag zusammen stürzen wie ein Kartenhaus, weil Ihr es vorher zu einem Kartenhaus gemacht habt."

Schulden, keine Mitarbeiter - wer wird sich finden?

Und nun?, fragt Voggenhuber zum Abschluss seines Eintrages, der - Stand Donnerstagvormittag - bereits 784 Mal geteilt wurde. Die Antwort gibt er sogleich: "Nun bleibt Euch nur die Aufgabe, ohne acht Millionen Parteienfinanzierung aber mit vielen Schulden, ohne Ressourcen und ohne Mitarbeiter und ohne Spindoktoren und Marketingabteilungen und ohne klingende Titel aber wieder mit den Ideen und Werten, mit Visionen und konkreten Lösungen, mit Mut und Überzeugungskraft das verlorene Vertrauen wieder zu erwerben und das wieder aufzubauen, was Ihr zerstört habt. Wer wird sich dafür finden?"

Der Facebook-Eintrag von Voggenhuber:

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(hell)

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