Echte Anwälte sind nicht so schön

Hollywood. Erfolg, Macht und schicke Anzüge. Wie viel Glamour steckt im Alltag eines Anwalts? Anwaltsserien und was sie mit der Realität in einer Wirtschaftskanzlei zu tun haben.

Sie sind attraktiv, einflussreich und gehen über Leichen. Sie sitzen in New York oder Boston und handeln über 50 Jahre altem Scotch Millionengeschäfte aus. Die Rede ist von der fiktiven Welt der US-amerikanischen Serienanwälte.

„So viel Glamour können wir nicht bieten“, beteuert Sabine Binder-Krieglstein von der Wirtschaftskanzlei Binder Grösswang. Sie selbst war ein Fan von „Ally McBeal“, der nach ihrer scharfsinnigen und stets Miniröcke tragenden Heldin benannten Fernsehserie der 1990er-Jahre. Heute sieht Binder-Krieglstein „Suits“ (zu sehen auf Netflix), die Serie um den skrupellosen Wirtschaftsanwalt Harvey Specter, der sein gutes Herz unter maßgeschneiderten Dreiteilern versteckt.

Sehr viel hat der Arbeitsalltag eines österreichischen Anwalts nicht mit der Serienwelt zu tun. „Einspruch, Euer Ehren“ und hoch emotionale Plädoyers, das gehöre ins Fernsehen, meint Binder-Krieglstein. Ein Anwalt verbringe den größten Teil seiner Zeit am Schreibtisch, wo er harte, aber nicht minder spannende Arbeit verrichte.

Große Wirtschaftskanzleien seien überall, nur nicht im Gerichtssaal, bestätigt auch Dieter Thalhammer, Partner bei Eisenberger & Herzog. Im Gegenteil, man versuche alles, um eine Verhandlung zu vermeiden und stattdessen eine außergerichtliche Lösungen zu finden.

Der aggressive, skrupellose Anwalt sei fernsehtauglicher, das versteht Thalhammer. Unter seinen Kollegen sind solche Eigenschaften rar. „Es gewinnt selten der, der lauter schreit. Sondern der, der das bessere Argument hat.“

Echte Anwälte sind zudem lang nicht so schön wie in den Serien. „Sonst wären wir alle Fernsehstars geworden“, scherzt Thalhammer. Ein „gewisser Style“ gehöre aber dazu. Auch wenn es kein Maßanzug sein muss, gute Kleidung sei nach wie vor wichtig. Sie werde vor allem von den Mandanten erwartet.

Klischeekanzlei im 1. Bezirk

Das gilt auch für das Büro. Was in den Serien der Wolkenkratzer in Manhattan ist, ist in der Realität die Kanzlei im ersten Bezirk. Das perfekt restaurierte Altbaustiegenhaus und der moderne, in Weiß gehaltene Empfang von Binder Grösswang würden sich auch im Fernsehen gut machen. „Wir wollen Tradition und Sicherheit repräsentieren“, meint Binder-Krieglstein. Das zeige den Klienten, dass ihr Geld und ihr Problem hier gut aufgehoben sind.

Es geht um viel Geld. Da stimmen Realität und Serie überein. Der Druck, die Null-Fehler-Toleranz lassen Binder-Krieglstein oft das „gewisse Prickeln“ spüren.

Die Arbeit empfindet sie mindestens so aufregend wie in der Fernsehserie. Auch das Tempo sei kein Klischee: „Es geht nur selten gemütlich zu.“ Für Anwalt Thalhammer bestehe der Reiz darin, an den prominentesten Causen Österreichs zu arbeiten. Ein bisschen glamourös, so wie in der Serie, findet er das schon.

(Print-Ausgabe, 21.10.2017)

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