Voller Melancholie ist sie ein Leben lang davon überzeugt, dass es besser wäre, nicht auf der Welt zu sein. 95 Jahre alt ist die große Wiener Dichterin Ilse Aichinger geworden. Fern jeder schriftstellerischen Eitelkeit.
Sie meint: „Ich lasse mir die Welt nicht bieten.“ Ilse Aichinger ist keine der leichten Musen in der Welt der Literatur. Ein Leben lang ruft sie vehement – auch aufgrund ihres eigenen Schicksals – zur Kritik an politischen und gesellschaftlichen Zuständen auf.
Gemeinsam mit ihrer Schwester Helga beginnt ihr „doppeltes Dasein“ als eineiiger Zwilling am 1. November 1921 in Wien als Tochter eines Lehrers und einer jüdischen Ärztin. Bereits als Fünfjährige leidet sie unter der Scheidung der Eltern. 1938 verliert ihre Mutter Wohnung, Praxis und die Stellung als städtische Ärztin. Ilse Aichingers Oma wird unter dem Beifall der Mitmenschen in einem Viehwaggon deportiert.