Es ist höchst an der Zeit, die Geldschleusen zu schließen

Wolken und die EZB.
Wolken und die EZB.(c) APA/Frank Rumpenhorst
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Die EZB sollte diese Woche eine deutliche Reduktion des Gelddruckens beschließen. Nicht nur im Interesse der Sparer, sondern auch in ihrem eigenen.

Am kommenden Donnerstag wird zum 52. Mal der österreichische Nationalfeiertag begangen. Ein hochrangiger Vertreter dieser Republik wird den Festtag allerdings nicht im Land verbringen, sondern zu einer wichtigen Sitzung ins Ausland reisen. Einer Sitzung, bei der eine Entscheidung getroffen wird, die mittelfristig auch alle Österreicher in ihren Geldbörsen spüren werden. Denn am Donnerstag steht die Oktober-Session des EZB-Rats in Frankfurt an, in dem als Österreichs Vertreter Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny sitzt. Und während die Zentralbank-Sitzungen zuletzt nur ein lapidares „Weiter wie bisher“ brachten, steht nun eine Richtungsentscheidung an.

So erklärte EZB-Präsident Mario Draghi bereits im Vorfeld, dass im Oktober die Zukunft des EZB-Anleihenkaufprogramms geklärt werden soll. Zur Erinnerung: Seit März 2015 kauft die Zentralbank Monat für Monat vornehmlich Staatsanleihen im Ausmaß von 60 Milliarden Euro. Mit diesem Gelddruckprogramm in bis dahin nicht gekanntem Ausmaß versuchte die EZB einerseits, eine Kernschmelze des Eurosystems infolge der Griechenland-Krise zu verhindern, und andererseits, die Konjunktur anzukurbeln und die Inflation in den gewünschten Rahmen von knapp unter zwei Prozent zu bringen.

Ersteres ist ihr dabei mit Bravour gelungen. Seitdem Draghi seine berühmten Worte sprach, alles zu tun, was notwendig sei, beruhigten sich die Märkte. Beim zweiten Teil hakt es jedoch. Zwar ist die Konjunktur – mit deutlicher Verzögerung – inzwischen angesprungen. Die Inflation verharrt trotz der monatlichen Milliardeninfusion in der Eurozone aber nach wie vor bei 1,5 Prozent. Das Bild ist hierbei nicht einheitlich: Während sie hierzulande bereits bei hohen 2,4 Prozent liegt, dümpelt sie in Griechenland oder Italien knapp über der Ein-Prozent-Schwelle.

Es ist daher zu erwarten, dass es auch an diesem Donnerstag Stimmen im EZB- Rat geben wird, die dafür plädieren, das Anleihenkaufprogramm wie bisher oder nur geringfügig verändert weiterlaufen zu lassen. Das wäre jedoch falsch – und zwar nicht nur für die Sparer des Nordens, sondern auch für die Länder des Südens und die EZB selbst.

Denn es zeigt sich einfach, dass die von den Zentralbankern prognostizierte Gleichung „Mehr Geld ins System pumpen ergibt mehr Inflation“ einfach nicht aufgeht. Dafür gibt es verschiedene Gründe. So findet etwa ein Teil des Geldes schlicht nicht seinen Weg in die produktive Wirtschaft, weil dort entweder die Verunsicherung über die Zukunft zu groß ist, um konkrete Projekte anzugehen, oder die Banken diese aufgrund der strengeren Regulierung nicht finanzieren können. Die Lösung für dieses Problem ist aber nicht mehr Geld, sondern es sind vertrauensfördernde Maßnahmen in Form politischer Reformen. Die kann wiederum die EZB nicht liefern.

Die Zentralbank-Geldschwemme bringt lediglich bei zwei Bereichen eine nachhaltige Inflation: bei Aktien und bei Immobilien. Dort steigen die Preise stetig an, weshalb schon Sorgen vor einer neuen Blasenbildung laut werden. Die einfachen Sparer werden durch die Nullzinsen, die ja Teil der EZB-Politik sind, hingegen sukzessive enteignet. So reicht auch die derzeitige Mini-Inflation bereits aus, dass in Österreich Sparguthaben nach fünf Jahren ein Zehntel ihres Werts verlieren.

Aber auch die angeschlagenen Länder des Südens profitieren auf lange Sicht gesehen von einer Abkehr vom Gelddrucken. Für die Staaten ist sie nämlich wie ein Entzug für einen Drogenkranken: Sie verursacht Schmerzen, bringt aber die wahre gesundheitliche Situation ans Licht. Und das ist einfacher, je kürzer sich der Organismus an die Situation davor gewöhnt hat. Es liegt aber auch im Interesse der EZB selbst, sich auf den – ohnehin langen – Weg hin zu einer normalisierten Geldpolitik zu begeben. Denn nur so erhält die Zentralbank jene Pfeile in den Köcher zurück, die sie bei einer künftigen Krise wieder dringend brauchen wird. Und diese Krise wird irgendwann mit Sicherheit kommen.

E-Mails an:jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2017)

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