Kämpferische SPÖ geht in Richtung Opposition

Die SPÖ lässt ihren Parteichef nicht im Regen stehen. Christian Kern (2. von rechts) bekommt volle Unterstützung für seinen Oppositionskurs, Kanzleramtsminister Thomas Drozda (2. v. links) wird Abgeordneter.
Die SPÖ lässt ihren Parteichef nicht im Regen stehen. Christian Kern (2. von rechts) bekommt volle Unterstützung für seinen Oppositionskurs, Kanzleramtsminister Thomas Drozda (2. v. links) wird Abgeordneter.APA/ROBERT JAEGER
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Die SPÖ sieht keine Chance mehr auf eine Regierungsbeteiligung. Warum Christian Kern trotzdem Parteichef bleiben darf.

Wien. Das hat es in Österreich noch nicht gegeben: Ein Bundeskanzler wird abgewählt – und macht als Oppositionschef weiter. Genau diesen Weg geht aber Christian Kern nun, und er hat dabei die volle Unterstützung seiner Partei. SPÖ-Bundesparteivorstand und Präsidium bestätigten am Montag den Kurs der Sozialdemokraten Richtung Opposition. Und beide Gremien stellten sich demonstrativ hinter ihren Vorsitzenden.

Bereits vor Beginn der Sitzungen hatten sich etliche prominente Funktionäre für den Parteichef stark gemacht. Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl verwies darauf, dass sich seine Landesparteigremien zu hundert Prozent hinter Kern gestellt hätten. Niederösterreichs Landesvorsitzender Franz Schnabl betonte, dass es sicher keine Debatte um den Parteichef geben werde. Und auch Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, der immer wieder als möglicher Nachfolger Kerns genannt wurde, stellte klar, dass man natürlich mit Kern weitermachen wolle.

Nach den Sondierungsgesprächen vergangene Woche war auch klar, dass der Weg der SPÖ in die Opposition führen wird. Sowohl FPÖ als auch ÖVP hatten Signale in Richtung einer schwarz-blauen Zusammenarbeit ausgesendet. Die von machen in der SPÖ gewünschte rot-blaue Koalition war damit von vornherein zum Scheitern verurteilt. Und den Juniorpartner in einer von der ÖVP geführten Regierung wollte ohnehin kaum jemand spielen. Schon gar nicht wollte Christian Kern der „Vize“ von Bundeskanzler Sebastian Kurz werden.

Der Gang in die Opposition war nach den Ereignissen der vergangenen Woche logisch – aber warum überlebte Parteichef Kern die Wahlenttäuschung relativ unbeschadet? Der Nochbundeskanzler hatte zwar bei seinem Amtsantritt vor siebzehn Monaten von einem zehnjährigen Zeithorizont als Parteichef gesprochen und schon damals die Möglichkeit angesprochen, dass er auch Oppositionschef werden könnte. Doch es ist nicht so selbstverständlich, dass die Partei dies auch so sieht. Seinem Vorgänger Werner Faymann hätte man den Verlust des Kanzleramtes wohl nicht verziehen.

Offenkundig traut die SPÖ-Spitze Kern immer noch zu, dass er die Partei zurück auf die Erfolgsspur führt. Und ganz offensichtlich gibt es auch niemanden, der sich für die Nachfolge aufdrängt. Der einzige logische Kandidat, Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, wäre nur eine Option gewesen, wenn die SPÖ in der Regierung geblieben wäre und er die Rolle des Vizekanzlers eingenommen hätte. Als Oppositionspolitiker sieht sich der frühere burgenländische Polizeichef nicht – er dürfte daher auch bald in die Landespolitik wechseln.

Kern greift die Rolle des Oppositionspolitikers dagegen freudig auf und gibt sich gleich zu Beginn kämpferisch. Die SPÖ werde ein Gegengewicht zu Schwarz-Blau bilden: Ein Gegengewicht zum Spektakel, zur „Brot- und Spiele-Politik“ und zum Rechtspopulismus, sagte der Parteichef nach der Sitzung. Die Sondierungsgespräche mit ÖVP und FPÖ hätten ergeben, dass das inhaltlich Trennende nicht überwindbar sei, ohne den Preis der Selbstaufgabe dafür zahlen zu müssen. Es gebe erhebliche Differenzen im Bereich der Steuer-, Wohn-, Sozial- und Umweltpolitik. Als Beispiel dafür nannte Kern die Sparpläne, die die schwarz-blaue oberösterreichische Landesregierung am Montag vorgestellt hat.

Neuaufstellung der Partei

Kern will in der Opposition auch die Partei neu aufstellen. Da gehe es um Organisatorisches, aber auch darum, die sozialdemokratische Politik wieder klarer zu akzentuieren. Teil dieses Neubeginns ist die Parlamentsfraktion: Fast die Hälfte der sozialdemokratischen Abgeordneten zieht neu in den Nationalrat ein. Stolz ist der Parteichef auch auf die Frauenquote von 44 Prozent. Damit sei man der Klub mit dem höchsten Frauenanteil.

Christian Kern wird selbst Klubobmann, ihm steht Andreas Schieder als geschäftsführender Klubchef zur Seite. Doris Bures wird für den Posten der Zweiten Nationalratspräsidentin kandidieren. Überraschend ist die Vergabe der Mandate auf der Bundesliste: Zwar verzichtete der frühere Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler wie angekündigt auf sein Mandat, es kommt aber nicht sein Nachfolger Christoph Matznetter zum Zug, sondern Bundesrat Mario Lindner. Keine Mandate gibt es auch für prominente Gewerkschafter wie Frauenchefin Renate Anderl oder Pro-Ge-Vorsitzenden Rainer Wimmer. Ob Matznetter Bundesgeschäftsführer bleibt, ist noch offen. Das wird nach der Angelobung der neuen Regierung entschieden.

Unterstützung für den neuen Kurs gibt es von der Parteijugend: „Machen wir Schwarz-Blau die Hölle heiß“, fordern die Sozialistischen Studenten in einer Aussendung.

AUF EINEN BLICK

Verhandlungen. Vergangene Woche hat ÖVP-Chef Sebastian Kurz mit allen Parteien Sondierungsgespräche geführt. Mit der SPÖ gab es keine Annäherung, auch SPÖ und FPÖ sehen keine Basis für eine Zusammenarbeit. Damit bleibt den Sozialdemokraten nur mehr die Rolle der Opposition. Parteichef Christian Kern kündigt eine organisatorische und inhaltliche Neuaufstellung der SPÖ an. Er selbst wird Klubobmann im Parlament, ihm zur Seite steht Andreas Schieder als geschäftsführender Klubchef.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2017)

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