Was ist mit der Schulreform passiert?

Unterrichtsministerin Schmied scheint endgültig der Mut verlassen zu haben – und keiner hat es bemerkt.

Wie Claudia Schmied zum Ende der Studentenproteste steht, ist nicht bekannt – ein offizielles Statement der Unterrichtsministerin gab es nicht. Ein Dankeschön an die Besetzer wäre aber jedenfalls angebracht. Weniger dafür, dass nach 61 Tagen mit der Räumung des Wiener Audimax der Widerstand rasch versiegen wird und die Unis den Betrieb aufnehmen können – sondern eher dafür, dass die Studenten so lange durchgehalten haben. Denn mit ihrem Protest, der die Bildungspolitik in seinen Bann zog, haben sie vortrefflich von der Untätigkeit Schmieds abgelenkt. Solange Studenten lärmend durch die Straßen zogen, war sie abgemeldet.

Der „heiße Herbst“, den die schwarzen Lehrervertreter der ungeliebten SP-Ministerin, mit der sie sich im Dauerstreit befinden, angekündigt hatten, hat sich ins Gegenteil verkehrt: Schulpolitisch kann eher vom verfrühten Winterschlaf die Rede sein. Statt den Diskurs über das gesamte Bildungssystem zu nutzen, um ihre Vorhaben zu bewerben, hat sich Schmied zurückgelehnt. Was aus dem Plan der Ministerin, noch 2009 konkrete Ergebnisse bei Schulverwaltungsreform und Lehrerdienstrecht vorzulegen, geworden ist? Man weiß es nicht. Das Jahresende hätten wir hinter uns gebracht, allein von Ergebnissen ist wenig zu sehen. Aber wozu auch? Aus dem lückenhaften Langzeitgedächtnis der Österreicher – aus dem die Parteien nicht zuletzt ihre Wahlerfolge speisen – war die Schulreform ja ohnehin längst verschwunden.

Die Ministerin selbst wird das naturgemäß anders sehen. Und wieder einmal – der Jahreswechsel eignet sich ja vorzüglich für allerlei Rückblicke, Bilanzen und Vorschauen – aufzählen, was sie 2009 alles auf den Weg gebracht habe. Zugegeben, es gibt erfolg- und farblosere Regierungskollegen. (Was etwa hat Gesundheitsminister Alois Stöger, abgesehen von der rezeptfreien Vergabe der „Pille danach“, umgesetzt?) Dennoch muss sich Schmied den Vorwurf gefallen lassen, dass ihre an sich ambitionierte Reform irgendwo auf halbem Weg eingeschlafen ist.

Einige Beispiele? Die umstrittene Ganztagsschule, die aus Angst vor ideologischen Grabenkämpfen (und weil sie in Wahrheit nicht mehr ist als ein Halbinternat) gar nicht so heißen darf, sondern „Tagesbetreuung Neu“ getauft wurde, ist bereits wieder ins Stocken geraten. Das Geld für die Aufstockung auf 200.000 Plätze, für die Schmied 170 Millionen Euro veranschlagt, bekommt sie nicht. Auch der Kanzler fuhr seiner Parteikollegin in die Parade. Er verschob den Ausbau, den Schmied für 2013 avisiert hatte, auf 2018. Und damit in die nächste Legislaturperiode. Ähnlich erging es der Ministerin bei der Neuen Mittelschule (der unverdächtigere Deckname der Gesamtschule). Der Ausbau geht nur langsam voran, da sich die ständig bremsende ÖVP gegen die Aufweichung jener Klausel wehrt, die Schulversuche beschränkt. Zuerst müsse Schmied eine Evaluierung vorlegen – über deren Interpretation man dann, statt zu handeln, trefflich wieder streiten wird.

Von den drei „Megaprojekten“, die die Ministerin bis Ende 2009 angehen wollte, nicht zu reden. Dass etwa die dringend nötige Reform der Schulverwaltung tatsächlich umgesetzt wird, glaubt wohl nicht einmal sie selbst mehr. Auch beim neuen Dienst- und Besoldungsrecht, das endlich die Chance böte, eine Erhöhung der Arbeitszeit und eine leistungsbezogene Bezahlung durchzusetzen, scheint die Ministerin zu kneifen. Gleich nach den Personalvertretungswahlen der Lehrer hätten die Verhandlungen starten sollen. Gehört hat man davon nichts mehr, was an der geschwächten Position der Ministerin liegen mag: Bei der Wahl hat es eine empfindliche Schlappe für die SPÖ gesetzt, während die schwarze Gewerkschaft mit ihrem Anti-Schmied-Kurs punktete. Allein beim dritten Projekt, der neuen Lehrerausbildung, liegt mittlerweile ein Expertenpapier vor, das mit einem „Turnus“ für Junglehrer gute Vorschläge enthält. Aber keine Sorge: Die Lehrergewerkschaft ist ohnedies dagegen.

Neuer Schwung in der Schuldebatte ist Anfang 2010 nicht zu erwarten. Mit dem Wechsel von Wissenschaftsminister Johannes Hahn nach Brüssel ist Schmied der innerkoalitionäre Verhandlungspartner abhandengekommen. Ein Nachfolger ist – weil die ÖVP niemanden findet, der sich des Amtes annimmt oder sich alle Interessierten aus taktischen Gründen in Deckung halten – nicht in Sicht. Bleibt nur zu hoffen, dass doch jemand daran erinnert, dass die Bildungsmisere nicht erst an den Unis ihren Ausgang nimmt. Und dass es eine ziemlich stille, entmutigte Ministerin gibt, die man an ihre vollmundigen Versprechungen erinnern sollte.


christoph.schwarz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2010)

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