Wifo warnt Regierung vor „Schnellschüssen“

Christoph Badelt
Christoph Badelt(c) Clemens Fabry
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Die gute Konjunktur werde sich ab 2019 wieder eintrüben, so das Wifo. Die aktuelle Phase sollte daher zur Budgetkonsolidierung genutzt werden. Deshalb dürfe es „keine Reform ohne Gegenfinanzierung“ geben.

Wien. „Im Wahlkampf wurde viel versprochen. Es ist aber schon jetzt klar, dass sich dabei die ausgabenseitigen Einsparungen mit den Steuersenkungen nicht die Waage halten“, sagte Wifo-Chef Christoph Badelt am Dienstag anlässlich der Mittelfristprognose seines Instituts. Er richtet daher einen dringenden Appell an die kommende Regierung: „Der aktuelle konjunkturelle Aufschwung sollte genutzt werden, um die Schulden zurückzuzahlen und neue Spielräume für schlechtere Zeiten zu schaffen.“ Es dürfe daher „keine Schnellschüsse“ geben, „die nur Geld kosten“. Konkreter gesagt sollten Reformen nur mit einer fixen Gegenfinanzierung beschlossen werden.

So sehen die Prognosen und Berechnungen des Wifo in den einzelnen Teilbereich aus:

Das konjunkturelle Umfeld

Grundsätzlich ist die aktuelle Konjunktursituation ausgesprochen positiv, wie die Prognose des Wifo zeigt. So rechnen die Ökonomen sowohl für heuer als auch für 2018 mit einem realen Wirtschaftswachstum von 2,8 Prozent (siehe Grafik). Dadurch soll nicht nur die Arbeitslosigkeit weiter sinken, sondern auch die Lohn- und Gehaltssumme um rund vier Prozent pro Jahr ansteigen. Allerdings erwartet das Wifo bereits für 2019 wieder eine Abschwächung dieses Positivtrends. Als Hauptgrund dafür wird genannt, dass der Konjunkturaufschwung in den USA schon wesentlich länger erfolge und daher von dort auch wieder eine Gegenbewegung zu erwarten sei. Und obwohl Österreich erst spät von der Aufwärtsbewegung erfasst wurde, dürfte es die Abwärtsbewegung schnell spüren.

Die Staatsfinanzen

Aufgrund des Wachstums erwartet das Wifo deutliche Steigerungen bei der Lohnsumme. Das wirkt sich wiederum auf die dadurch erzielten Steuereinnahmen aus, die in den kommenden Jahren stark steigen sollen. 2019 könnte Österreich damit zu einem ausgeglichenen Budget – vulgo Nulldefizit – kommen, so die Ökonomen. Ab dem Jahr 2020 wären somit sogar Überschüsse möglich, wie es etwa Deutschland bereits seit einigen Jahren vorexerziert.

Allerdings erfolgt diese Prognose unter der Annahme, dass es keine politischen Änderungen zum Status quo gibt – was angesichts der im Wahlkampf versprochenen Senkung der Abgabenlast unrealistisch ist. So dürften sich bereits die Beschlüsse aus der letzten Parlamentssitzung vor der Wahl, die erst nach Erstellung der Prognose erfolgt sind, so auswirken, dass das Budgetdefizit pro Prognosejahr um 0,1 Prozent höher ausfällt, so Badelt. Ein Nulldefizit wäre dadurch wohl erst 2020 möglich. Die EZB soll hierbei übrigens keinen Strich mehr durch die Rechnung machen: Das Wifo rechnet ab 2019 mit einer Zinswende in der Eurozone.

Die Erwartung an die Regierung

Von der neuen Regierung erwartet sich Badelt daher, dass sie Reformen, die zu geringeren Steuereinnahmen führen, gut überdenkt und nur mit einer entsprechenden Gegenfinanzierung – also etwa konkreten Einsparungen auf der Ausgabenseite – beschließt. Grundsätzlich plädiert der Wifo-Chef neuerlich für eine „gesamthafte nachhaltige Steuerreform“, bei der das gesamte System neu überdacht werden sollte. In der Vergangenheit erklärte er hierbei schon mehrmals, dass eine Abgabenreduktion bei Gehältern und Löhnen bei gleichzeitig stärkerer Belastung fossiler Energie sinnvoll sein könnte.

Bedenken müsste man zudem, dass Steuersenkungen sofort wirken würden, strukturelle Reformen auf der Ausgabenseite jedoch meist Jahre bräuchten, bis sie ihre volle Wirkung entfalten. Es sei daher auch nicht zu erwarten, dass eine von der ÖVP versprochene Abgabensenkung auf unter 40 Prozent durch strukturelle Reformen innerhalb der nächsten Regierungsperiode voll gegenfinanziert werden könne. Dies dürfe aber natürlich kein Hindernis dafür sein, diese Reformen trotzdem anzugehen. (jaz)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2017)

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