Die Ozeane waren früher kühler als gedacht

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Die Temperatur der Ozeane wurde falsch eingeschätzt, sagen Forscher. Das bedeute: In den vergangenen hundert Millionen Jahren gab es nie so drastische Veränderungen wie derzeit.

Forschende aus Lausanne und Frankreich haben entdeckt, dass die Ozeantemperaturen der Vergangenheit wohl falsch eingeschätzt wurden. Das würde bedeuten, dass es in den vergangenen hundert Millionen Jahren noch nie so drastische Temperaturveränderungen gab wie derzeit im Zuge des Klimawandels.

Die Ozeane spielen für das Klima der Erde eine wichtige Rolle. Um das Klima der Vergangenheit zu rekonstruieren, müssen Forschende die früheren Temperaturen der Weltmeere für lange Zeiträume abschätzen. Die Methode, die sie dafür in den vergangenen Jahrzehnten verwendeten, könnte jedoch fehlerhaft sein, berichtet ein internationales Forscherteam - darunter Wissenschafter um Anders Meibom von der Universität und der ETH Lausanne (EPFL).

Fossilien als "historische Thermometer" 

Als "historische Thermometer" nutzen Wissenschafter Fossilien winziger Meeresorganismen (Foraminiferen) in Sedimentbohrkernen. Deren Gehäuse enthalten je nach Temperatur, bei der sie sich gebildet haben, unterschiedliche Mengen des Sauerstoffisotops O-18. Anhand dieser Methode gingen Wissenschafter bisher davon aus, dass sich die Ozeane in den letzten hundert Millionen Jahren um 15 Grad Celsius abgekühlt haben, wie die EPFL am Donnerstag mitteilte.

Diese Temperaturabschätzung geht aber davon aus, dass sich der O-18-Gehalt der Foraminifera-Schalen nach dem Tod der Tiere im Sediment nicht mehr verändert hat. Das Team französischer und Schweizer Forschender berichtet nun im Fachblatt "Nature Communications", dass diese Annahme falsch ist.

Im Experiment setzten sie die fossilen Schalen hohen Temperaturen in künstlichem Meerwasser aus, das nur das Sauerstoffisotop O-18 enthielt. Anschließend untersuchten sie die Isotopenzusammensetzung der Gehäuse. Tatsächlich hatte sich der O-18-Gehalt durch die Behandlung erhöht. Das bedeutet, dass sich der O-18-Gehalt der fossilen Schalen sehr wohl nachträglich verändern kann. "Und das ohne jegliche Hinweise darauf unter dem Mikroskop, die Gehäuse sehen okay aus", betonte Studienerstautor Sylvain Bernard vom Centre national de la recherche scientifique (CNRS) auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda.

Bisher unbeachtete "Re-Equilibrierung"

Die bisher auf diese Weise rekonstruierten Temperaturen der Ozeane sind daher fehlerhaft. Demnach haben sich die Weltmeere sehr wahrscheinlich nicht um 15 Grad Celsius abgekühlt in den vergangenen hundert Millionen Jahren. Die Änderung des O-18-Gehalts der Foraminifera-Schalen in verschiedenen Sedimentschichten gehe auf einen bisher unbeachteten Prozess namens "Re-Equilibrierung" zurück, schrieb die EPFL.

Während der Sedimentierung steige die Temperatur um 20 bis 30 Grad Celsius. Das bringe die Gehäuse dazu, sich chemisch an das Umgebungswasser anzupassen - zu re-equilibrieren. Über mehrere Millionen Jahre hinweg habe dieser Prozess einen bedeutenden Einfluss auf die Temperaturabschätzung, besonders wenn sie sich auf Foraminifera stützt, die in kaltem Wasser lebten.

Durch Computersimulationen haben die Wissenschafter um Meibom festgestellt, dass die vergangenen Temperaturen der Polarmeere überschätzt wurden. Das bedeutet auch, dass der im Zuge des Klimawandels beobachtete Temperaturanstieg der Ozeane beispiellos sei in den vergangenen hundert Millionen Jahren, so die Mitteilung. Meibom betont, dass man nun den Prozess der Re-Equilibrierung genauer quantifizieren müsse, um die vergangenen Meerestemperaturen besser einzuschätzen. "Wir müssen dafür auch andere Meeresorganismen untersuchen, um zu verstehen, was sich im Sediment über geologische Zeiträume hinweg abgespielt hat", so der Lausanner Forscher.

(APA/sda)

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