Georgien: Drang nach Europa

Der kleine Kaukasusstaat streitet mit Moskau und strebt nach Westen.

Wien. Am Anfang war die Rosenrevolution: Ende 2003 wurde Langzeit-Staatschef Eduard Schewardnadse nach Demonstrationen aus dem Amt gejagt und mit seinem jungen Nachfolger, Michail Saakaschwili, ein prowestlicher Kurs eingeschlagen – wodurch sich die ehemalige Sowjetrepublik den Unmut Wladimir Putins zuzog. Die Spannungen resultierten 2008 in einen Fünftagekrieg mit Russland, bei dem Georgien den Kürzeren ziehen musste – bei dem Konflikt ging es vordergründig um die abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien, die unter Russlands Schutz stehen, und die Georgien mit Waffengewalt zurückholen wollte. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte allerdings das Votum der Georgier für den Nato-Beitritt ihres Landes.

Seit russische Truppen in den abtrünnigen Gebieten stationiert sind und der Konflikt sozusagen „eingefroren“ wurde, ist die Mitgliedschaft im westlichen Verteidigungsbündnis in weite Ferne gerückt. Georgien war die Blaupause für das russische Vorgehen in der Ukraine sechs Jahre später – auch im Donbass hält Moskau den Konflikt am Köcheln, um eine Annäherung der Ukraine an den Westen zu erschweren (siehe Seite IV). Saakaschwili wird mittlerweile von der georgischen Justiz gesucht und mischt in der ukrainischen Politik mit – an der Westausrichtung des Landes hat sich allerdings nichts geändert, auch wenn sich der aktuelle Staatschef, Giorgi Margwelaschwili, um die Verbesserung der Beziehungen zu Russland bemüht.

Visumfreiheit seit 2017

Brüssel setzt in seinen Beziehungen zu Georgien auf die bewährten Instrumente der Nachbarschaftspolitik: Seit dem Frühjahr 2017 dürfen Georgier visumfrei nach Europa reisen – ein symbolischer Erfolg für Tiflis, der landesweit gefeiert wurde. Seit 2014 sind die Union und Georgien durch ein Partnerschaftsabkommen verbunden – was in ökonomischer Hinsicht besonders wichtig ist, denn georgische Waren wurden vom russischen Markt verbannt. Im nach wie vor ungelösten Konflikt um Abchasien und Südossetien ist die EU in der Zuschauerrolle – die Bemühungen der Europäer um die Lösung werden von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) orchestriert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2017)

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