99 Gottesnamen: Alle tabu?

Bauern Makedoniens bekreuzigten sich und sagten: „Wir sind Muslime, aber von der Jungfrau Maria.“

Die Rede von Gott wird derzeit in Malaysia ausjudiziert: Ein Gericht urteilte, dass die katholische Zeitung „The Herald“ (den christlichen) Gott als „Allah“ bezeichnen dürfe; die Regierung wird dagegen berufen. In Malaysia ist der Islam Staatsreligion, 60 Prozent bekennen sich dazu. Laut Verfassung sind alle Malaien – aber nicht z.B. die Chinesen, die in Malaysia leben – von Geburt an Muslime, ein Austritt ist nur schwer möglich.

In der Begründung für die Berufung heißt es, es sei für Muslime wichtig, dass die Verwendung der Bezeichnung „Allah“ geschützt sei, man will „beleidigende und unkorrekte Verwendung“ verhindern. Diese Idee – die wohl von den archaischen Vorstellungen stammt, dass ein Name Macht bedeutet und der Mensch damit Gott „beschwören“ kann – hat im Monotheismus große Tradition: „Du sollst den Namen Gottes nicht missbrauchen“, heißt es in den Geboten des Moses. Das impliziert, dass der Name Gottes (der auf Deutsch eben „Gott“ lautet) ein Eigenname ist und keine Gattungsbezeichnung. Damit ist er in strenger Konsequenz auch unübersetzbar.

In Vorformen des Monotheismus – vor allem der Monolatrie: Man verehrt einen Gott, leugnet aber nicht die Existenz anderer Götter – ist das Wort für Gott naturgemäß eine Gattungsbezeichnung; auch „Allah“ war eine solche, dieses Wort ist sprachlich eng mit dem hebräischen „Eloah“ verwandt. Dessen Pluralform „Elohim“ kommt in der hebräischen Bibel in zwei Arten vor: 1) mit Verb im Plural, dann bedeutet es „die (anderen) Götter“; 2)mit Verb im Singular, dann steht es für den einen Gott. Im Gegensatz zum Gottesnamen „Jahwe“, der in der jüdischen Tradition möglichst nicht ausgesprochen werden soll, ist „Elohim“ kaum tabuisiert, ähnlich „El schaddaj“ (ungefähr: der Allmächtige).

Diese Benennung über ein Attribut blüht in der islamischen Tradition in den (auch als Rosenkranz verwendeten) „99 Namen Allahs“ („der Herrscher“, „der Große“, „der Barmherzige“ usw.). Der 100.Name Gottes ist unaussprechbar und den Menschen unbekannt, heißt es. Ob es orthodoxen Muslimen auch unerträglich wäre, wenn Christen diese 99 Namen auf (ihren) Gott beziehen? Nur dann, wenn sie es auf Arabisch tun? Oder ist ein komplettes Aufzählen ohnehin als Bekenntnis zum Islam zu werten?

Wie der eifersüchtige Schutz des Gottesnamens für eine restriktive Form des Islam steht (wie sie in Malaysia herrscht), so könnte ein Nebeneinander von Gottesnamen ein Indiz für friedliches Nebeneinander der Konfessionen sein. Wie es etwa auf dem Balkan noch Anfang des 20.Jahrhunderts herrschte. „Die Mohammedaner sind hier keine richtigen Mohammedaner, und die Christen sind keine richtigen Christen“ – so zitiert der Historiker Mark Mazower in seinem Werk „Der Balkan“ einen türkischen Arbeiter. Und die Bauern Makedoniens hätten sich laut Mazower auf die Frage, welcher Religion sie angehörten, erst bekreuzigt und dann gesagt: „Wir sind Muslime, aber von der Jungfrau Maria.“

Man will gar nicht wissen, welche Folge diese Aussage heute in Malaysia hätte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2010)

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