Josef Pröll: „Nicht belehren, sondern zuhören“

Porträt. In der Politik herrsche „unmenschliche“ Schnelligkeit, sagt LLI-Generaldirektor Josef Pröll, in der Wirtschaft eine höhere Qualität der Vorbereitung, der Evaluierung und der Entscheidung.

Man muss in beiden Bereichen bereit sein, Führung zu übernehmen, voranzugehen, zu strukturieren, Entscheidungen herbeizuführen“, sagt Josef Pröll. Mit den beiden Bereichen meint er die Politik und die Wirtschaft. Den Ersteren hat er nicht zuletzt als Landwirtschafts- und Finanzminister sowie als Vizekanzler erlebt. Im Zweiteren bewegt er sich seit 2011 und ist nun Generaldirektor der Leipnik-Lundenburger Invest (LLI), eines Mitglieds der Raiffeisen-Familie.

In der Umsetzung von Führung, sagt der 49-Jährige, müsse man aber ganz unterschiedliche Herangehensweisen wählen. Denn der „Markt“ sei in der Politik nicht so leicht abgrenzbar und bewertbar. Natürlich teste man diesen mit Marktforschung ab, doch „die politischen Entwicklungen sind viel volatiler und durch so viele externe Einflüsse geprägt, die die Wirtschaft in diesem Ausmaß nicht kennt“, sagt er. Überhaupt erlebe er, dass Manager in der Privatwirtschaft trotz allen (Zeit-)Drucks besser vorbereiten, evaluieren und entscheiden – weil, anders als in der Politik, die Öffentlichkeit nicht permanent Druck ausübe. „Das ist etwas, was ich in meiner persönlichen Lebensqualität massiv sehe“, sagt Pröll, „das macht einen Riesenunterschied.“

Das habe er schnell bemerkt, obwohl er es in der LLI rasch mit Restrukturierungsaufgaben zu tun bekommen habe. Zuletzt lieferte das Unternehmen, zu dem u. a. Euromills, bekannt durch die Marken Fini's Feinstes und Farina, und das Kaffee(automaten)unternehmen cafe+co zählen, eine Rekordbilanz ab, die, wie Pröll sagt, auch das Ergebnis zahlreicher struktureller Maßnahmen sei. Und: Wo Reformen möglich seien, gehe auch etwas weiter.

Seine Führungsprinzipien, seien immer sehr teamorientiert, in der Politik und aktuell in der Wirtschaft. „Ich halte nichts davon, im geschlossenen Raum Strategien mit externen Beratern allein zu entwickeln, die dann top-down zu kommunizieren und kraft meiner Position umzusetzen.“ Das sei nur im Ausnahme- und Krisenfall zulässig. „Ich halte die Kommunikation mit der zweiten, dritten Führungsebene für wichtig.“ Entsprechend sei seine Tür immer offen. Aber, sagt Pröll, man solle „dann auch keinen Zweifel daran lassen, dass in der Vorstandssitzung des Unternehmens die Entscheidungen getroffen werden“.

Unbekanntes Terrain

Daher ist ihm auch wichtig, dass seine Mitarbeiter offene, teamfähige Persönlichkeiten sind, die das Gespräch offensiv wie die Auseinandersetzung gern annehmen, die nicht belehren, sondern zuhören können – und sich ausdrücken können. Aus seiner politischen Vergangenheit wisse er, wie heikel die Auswahl von Führungspersönlichkeiten sei. „Weil man Menschen in eine Position bringt, die sie niemals zuvor adäquat erahnen oder testen konnten.“ Das ist in der Wirtschaft etwas besser, weil man nicht vom ersten Augenblick an im Brennpunkt der Öffentlichkeit stehe und sich die Menschen fragen: Kann er das? Wie schaut er aus? Wie viel wiegt er?

Seit seinem Abschied aus der Politik im April 2011 habe er es vermieden, die Politik zu kommentieren, obwohl er sagt: „Ich bin ein politischer Mensch und werde es immer sein.“ Dafür hat er eine Empfehlung für politische Aussteiger, von denen es in Nachwahlzeiten immer wieder einige gibt. Um als zukünftiger Manager standhalten zu können, rät er, „vieles zu vergessen, was in der Politik auch bisweilen Praxis ist“. Nämlich über die Bande Dinge in die Öffentlichkeit zu spielen oder sich durch Anfeindungen medial mit dem Mitbewerb auseinanderzusetzen.

Überzeugungskraft entscheidet

Zwar gebe es vom ersten Tag an keine Zeit zu verschnaufen, doch es gebe in der Wirtschaft „eine höhere Qualität der Vorbereitung, der Evaluierung und der Entscheidung“. Denn in der Politik gebe es eine „unmenschliche Dimension in der Schnelligkeit“. Und darunter leide die Qualität.

Und: „In der Wirtschaft zählen vor allem die eigene Überzeugungskraft, die eigene Strategie und der Wettbewerb – aber auf Augenhöhe mit den jeweiligen Konkurrenten. Es funktioniert anders – Gott sei Dank.“

Zur Person

Josef Pröll (49) studierte Agrarökonomie an der Universität für Bodenkultur (Boku), 2003 wurde er Landwirtschaftsminister, 2008 übernahm Pröll die Führung der ÖVP und wurde Vizekanzler und Finanzminister. Nach seinem Ausscheiden aus der Politik im April 2011 wechselte der gebürtige Niederösterreicher als Vorstandssprecher der Leipnik Lundenburger Invest in die Privatwirtschaft. Seit 2014 ist er Generaldirektor des Unternehmens aus der Raiffeisen-Familie.

(Print-Ausgabe, 28.10.2017)

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