Der letzte Flug der Air Berlin

Die Air Berlin existiert nicht mehr. In der Nacht von Freitag auf Samstag wurde die letzte Maschine, die unter dem Label Air Berlin flog, am Flughafen Berlin Tegel mit einer Wasserfontäne der Feuerwehr empfangen.

Zum Abschied war die Maschine aus München noch eine Ehrenrunde über Berlin geflogen. In nur knapp 1000 Metern - und mit ausgefahrenem Fahrwerk, weil nur so die Heckflosse beleuchtet werden kann.

An Bord war zuvor noch die Hymne der Fluglinie eingespielt worden. "Flugzeuge im Bauch" - nicht die von Grönemeyer. Der Text lautet "Flugzeuge im Bauch, im Blut Kerosin, kein Sturm hält sie auf, uns're Air Berlin".

Extra für den letzten Flug hatte die Berliner Cateringfirma ein kleines Menü mit Sekt gestiftet.

Am Boden hatten sich schon hunderte Mitarbeiter von Air Berlin und des Flughafens Tegel versammelt, um emotional Abschied zu nehmen.

Jedem Fluggast, der von Bord ging, wurde von der Mannschaft am Boden zugejubelt. Als "Airline mit Herz" hatte sich Air Berlin vermarktet - diese Herzlichkeit wollte man auch beim Abschied zeigen.

Immer wieder fielen sich Mitarbeiter in die Arme. Zwischen der Euphorie der Verabschiedung und der Traurigkeit über das Ende lagen die Gefühle.

Schon beim Abflug in München hatten Mitarbeiter des Bodenpersonals ein Spalier gebildet, durch das die Gäste in das Flugzeug stiegen. Und auch hier spielte das Herz eine Rolle.

Vor dem Flug hatte die Crew ein Transparent zum Abschied aus dem Cockpit gehängt.

Und die Crew des letzten Flugs, die aus altgedienten und erfahrenen Mitarbeitern zusammengesetzt war, stellte sich für die versammelten Mitarbeiter noch einmal vor das Flugzeug.

So wie bei den meisten letzten Flügen der Linie von den verschiedenen Startorten aus gab es auch in München eine Wasserdusche für die Maschine.

Einige Fans der Fluglinie - unter ihnen auch einige ehemalige Mitarbeiter - hatten eigens für den Abschiedsflug T-Shirts mit den Flugdaten drucken lassen.

"Gone but not forgotten" hatte dieser Fluggast auf den Rücken seines Leibchens drucken lassen. Und den Slogan "Airline mit Herz".

Natürlich nutzten die in gelben Warnwesten gekleideten Mitarbeiter am Boden die Gelegenheit für Abschiedsfotos mit der Maschine und den Mitarbeitern.

Auch Joachim Hunold war an Bord. Er hatte das 1978 gegründete Unternehmen in den Neunzigern geführt und dabei neu organisiert.

Und auf Infotafeln und in Durchsagen wurde allerorts die Gelegenheit wahrgenommen, sich bei Air Berlin und den Mitarbeitern zu verabschieden.

Berlin 1964: Die US Air Force hat ihren Stützpunkt am Flughafen Tempelhof. Die Flugzeuge der amerikanischen Luftwaffe waren eine Attraktion. Bis zur Wiedervereinigung Deutschlands durften nur Flugzeuge der Alliierten in Berlin landen. Die Geschichte der Air Berlin beginnt aber erst über zehn Jahre später 1978.

Während der Ölkrise verliert der US-Pilot Kim Lundgren seinen Job bei der Pan American in Europa. Er kehrt aber nicht in die USA zurück, sondern gründet eine Charter-Fluggesellschaft: Air Berlin. 1978 wird sie im US-Bundesstaat ins Handelsregister eingetragen.

Am 23. April 1979 wird die "Air Berlin Betriebslizenz" durch die FAA an die Gründer der "Air Berlin Inc.", Kim Lundgren (li.) und John D. MacDonald (Mitte), übergeben.

1979 startet die erste Air Berlin-Maschine in Berlin Tegel, sie bringt Urlauber nach Mallorca.

Immer beliebter wurden bereits in den späten 70ern Urlaubsziele rund um das Mittelmeer. Die Air Berlin spezialisierte sich darauf, erfolgreich. Mit der Wende 1989 verliert Gründer Lundgren seine Sonderrechte rund um den Flugbetrieb und sucht sich deutsche Mehrheitsgesellschafter.

Der Unternehmer Joachim Hunold, bis dahin Marketing- und Vertriebschef beim Ferienflieger LTU, kauft 82,5 Prozent der Geschäftsanteile und gründet die Airberlin GmbH und Co. Luftverkehrs KG. Mit zwei Flugzeugen und 150 Mitarbeitern will er 1991 ein Konkurrenzunternehmen zur Lufthansa aufbauen.

Airberlin führt 1998 den Einzelplatzverkauf ein und startet den sogenannten Mallorca Shuttle: Der Einstieg in das Linienfluggeschäft.

Schon 2003 werden vermehrt europäische Metropolen angeflogen. Gemessen an den Passagierzahlen wächst die Air Berlin zur zweitgrößten deutschen Airline nach der Lufthansa.

Knapp ein Viertel der österreichischen Fluggesellschaft Niki, gegründet vom ehemaligen Formel 1 Weltmeister Niki Lauda, werden an die Air Berlin verkauft. Danach wird das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft nach britischem Vorbild umgewandelt.

Nach dem Börsegang folgt der Kauf der deutschen Fluggesellschaft dba und die Erweiterung des innerdeutschen Streckennetzes. 2007 kommt dann der Ferienflieger LTU dazu sowie knapp die Hälfte der Schweizer Fluggesellschaft Belair. Auch Interkontinentalverbindungen werden in das Streckennetz aufgenommen. Doch schon ein Jahr später steht die Air Berlin in den roten Zahlen und startet 2008 ihr erstes Sparprogramm.

Langjähriger Chef Joachim Hunold tritt überraschend ab, sein Nachfolger Hartmut Mehdorn verordnet alsbald einen harten Sparkurs. Ebenfalls 2011 beginnt die strategische Partnerschaft mit Etihad, die Fluggesellschaft aus Abu Dhabi wird größter Einzelaktionär.

Die Air Berlin tritt der internationalen Luftfahrt-Allianz oneworld bei und verstärkt noch einmal den Konkurrenzkampf mit Lufthansa. In diesem Jahr erwirtschaftet die Airline auch zum letzten Mal einen Nettogewinn von 6,8 Millionen Euro. Danach ging es nur noch deutlich in eine andere Richtung.

Nach dem kurzen Höhenflug beginnt es mit Air Berlin ab 2013 bergab zu gehen. Der österreichische Kurzzeit-Chef Wolfgang Prock-Schauer verordnet noch ein straffes Sanierungsprogramm. Doch auch die umfangreichen Maßnahmen scheinen am Sinkflug der Fluggesellschaft nichts mehr ändern zu können.

Schon wieder ein Wechsel in der Chefetage: Stefan Pichler übernimmt das Ruder, doch die Verluste steigen auf eine Rekordhöhe von knapp 447 Millionen Euro. 2016 wird begonnen, 38 Flugzeuge samt Crew an die Lufthansa zu vermieten. Der Verlust vergrößert sich aber weiter auf knapp 782 Millionen Euro.

Der frühere Lufthansa Manager Thomas Winkelmann versucht sich an der angeschlagenen Airline, doch die enormen Geldprobleme bleiben. Nachdem Etihad die finanzielle Unterstützung einstellt, muss die Air Berlin nach fast 40 Jahren Mitte August Insolvenz anmelden. Ein Bundeskredit sichert zunächst den Flugbetrieb.

Einen Großteil der Air Berlin übernimmt die Lufthansa, auch mit Easyjet laufen Verhandlungen. Mit Ende Oktober wird der Flugverkehr eingestellt.
