Am Freitag hebt der letzte Air-Berlin-Flieger ab. Bei den Piloten herrscht eine Mischung aus Enttäuschung, Wut und Wehmut.
Kurz vor dem Ende ihres Flugbetriebs verabschiedet sich die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin von ihren Kunden. "Air Berlin bedankt sich an diesem traurigen Tag bei allen Mitarbeitern, Partnern und Passagieren, die uns über die vielen Jahre ihr Herz und ihre Treue geschenkt haben", teilte die Fluggesellschaft am Freitag mit. "Air Berlin wünscht allzeit "Happy Landings!" und sagt im Namen aller Mitarbeiter "Macht et jut!""
Der allerletzte Flug der deutschen Airline führt heute Abend von München nach Berlin. Er soll um 22.45 Uhr in der deutschen Hauptstadt aufsetzen. Eine "Ehrenrunde" (wie beim letzten Langstreckenflug) wird der Pilot nicht drehen, wurde vorweg versichert. In Wien steht heute Abend für 21:10 Uhr der letzte Air-Berlin-Flug nach Berlin auf dem Flugplan.
Die Niki-Mutter Air Berlin - die nach der AUA-Eigentümerin Lufthansa bisher zweitgrößte deutsche Fluglinie - hatte Mitte August Insolvenz angemeldet. Nun stellt die Air Berlin ihren eigenen Flugbetrieb ein. Die letzten Flugzeuge sollen am späten Freitagabend in Berlin und Düsseldorf eintreffen.
"Es ist ein emotionaler Abschied für Passagiere und Airline-Mitarbeiter", heißt es in der Mitteilung. Eine rot-weiße Ära gehe nun zu Ende. Seit ihrem Erstflug 1979 habe die Airline mehr als eine halbe Milliarde Passagiere befördert. "Hoffnungen, Träume, die Sehnsucht nach der Ferne und die Liebe zum Reisen flogen immer mit und erzeugten tausende Geschichten", erklärte das Unternehmen.
"Wir bedauern es alle sehr"
Bei den Piloten herrscht unterdessen eine Mischung aus Enttäuschung, Wut - und Wehmut, erzählt ein junger Co-Pilot der Deutschen Presse-Agentur. "Es ist gerade sehr emotional. Uns wird bewusst, dass es nun zu Ende geht. Wir bedauern das alle sehr. Keiner weiß so richtig, wie es weitergeht." Man fühle sich im Stich gelassen. "Wir rechnen am Freitag oder Montag mit der Kündigung."
Bis zum bitteren Ende hat die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit den Air-Berlin-Flugzeugführern geraten, sich nicht auf die ausgeschriebenen Stellen bei der Lufthansa-Tochter Eurowings zu bewerben, die mit 81 Flugzeugen den Großteil des Nachlasses übernehmen wird - sofern denn die Kartellbehörden mitspielen. Dies geschieht durch die Übernahme der nicht insolventen AB-Töchter Niki und LG Walter, deren rund 1700 Leute einfach zu den bisherigen Bedingungen weiter machen können. 1300 weitere, darunter auch 400 Piloten, sollten sich bei der Eurowings neu bewerben.
Anders als die für das Kabinenpersonal zuständigen Gewerkschaften Verdi und UFO hat die VC es lange abgelehnt, mit der Eurowings eine Vereinbarung zu den Aufnahmeregeln zu treffen. Eigentlich hält man den ganzen Deal für einen Betriebsübergang, bei dem die Beschäftigten einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung hätten. Nach entsprechenden Kündigungsschutzklagen wird das sicherlich noch von Gerichten überprüft. Der Gesprächsfaden für eine vorläufige Auffanglösung ist Kreisen zufolge dennoch nicht komplett abgerissen, so dass auch jetzt noch eine Lösung möglich scheint.
Gehaltseinbußen für Piloten
Je nach vorheriger Stellung müssten die Air-Berlin-Piloten Gehaltseinbußen bei einem Wechsel hinnehmen. Die Angaben dazu schwanken zwischen 10 (Eurowings-Chef Thorsten Dirks) und 40 Prozent (VC). "Der Lufthansa-Konzern nutzt die Air Berlin-Pleite, um die Tarifbedingungen in breiter Front nach unten zu drücken", sagt ein Langstrecken-Kapitän, der noch zu LTU-Tarifkonditionen eingestellt wurde und damit bisher so gut verdient wie bei der Lufthansa. Auch Berufsjahre und Betriebspensionen stünden auf dem Spiel.
Der junge Copilot sagt der Deutschen Presse-Agentur: "Ich würde bei Eurowings die Hälfte weniger verdienen." Bisher komme er auf ein Monatseinkommen von 7.000 brutto - bei Eurowings wären es laut den angebotenen Verträgen 3.500 Euro. Bewerben müsste er sich bei Eurowings Europe mit Sitz in Wien. Dazu solle es eine Probezeit geben, und die Piloten sollen einen Piloteneignungstest machen.
"Bisher zehn Bewerbungen bei Eurowings"
"Von 1.300 Piloten bei Air Berlin haben sich zehn bei Eurowings beworben", erzählt der 34-Jährige. In Internet-Foren beschwören sich die Piloten gegenseitig, nicht die Nerven zu verlieren. VC-Sprecher Markus Wahl geht von höchstens 30 bis 50 aus, während Lufthansa-Chef Carsten Spohr bereits Bewerbungen von 300 AB-Piloten im Haus haben will. Insgesamt hätten sich auf die 400 ausgeschriebenen Stellen bei der Eurowings Europe in Wien rund 1.000 Kandidaten beworben.
Aktuell hat die Eurowings aber noch ziemlich große Personallücken. Weil sie zu wenige eigene Crews und auch noch nicht genug fertig übertragene A320-Jets besitzt, mietet sie eine zweistellige Zahl von Flugzeugen samt Besatzungen auf dem freien Markt an. Außerdem setzt sie 17 kleine Propeller-Maschinen der von AB zu übernehmenden LG Walter auf Eurowings-Strecken ein, obwohl sie nur halb so viele Plätze bieten wie ein Airbus A 319. Damit wird ein Folge-Konkurs dieser einstigen AB-Tochter vermieden, die im Übrigen auch händeringend neue Piloten sucht.
(APA/dpa)