Der Permafrost taut auf, die Berge bröckeln weg

Felssturz (Archivbild)
Felssturz (Archivbild)APA/EXPA/ JÜREGEN FEICHTER
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Erst jüngst ist es im Pinzgau zu einem Felssturz gekommen. Solche Großereignisse werden mehr.

Erst in der Vorwoche ist es auf mehr als 3000 Metern Höhe beim Großen Wiesbachhorn (3564 m) in Fusch im Pinzgau zu einem großen Felssturz gekommen. Rund 150.000 Tonnen Gestein haben sich gelöst und sind in ein Gletscherkar gestürzt, wie Landesgeologe Gerald Valentin berichtet. Verletzt wurde niemand.

Das Trümmerfeld liegt im hochalpinen Ödland, dort gebe es weder Almen noch sonst eine Besiedelung noch Infrastruktur, das Gebiet in der Großglocknergruppe sei derart steil, dass es nur etwa fünfmal im Jahr von Alpinisten begangen werde. Die gelösten Steinmassen, die auf das Sandbodenkees gestürzt sind, haben etwa das achtfache Gewicht des Eiffelturms.

Schuld ist die Erwärmung

Schuld an dem Felssturz hat laut dem Landesgeologen der Klimawandel: Der Fels wird instabil, wenn Permafrost auftaut und Gletscher zurückgehen. Die Südostwand weise eine erhöhte Labilität auf, man werde das Gelände nach der Schneeschmelze im Frühjahr untersuchen. Denn man wisse nicht, ob Größeres nachkommt.

Das Ereignis in Fusch erinnert an den dramatischen Felssturz in der Schweiz vor zwei Monaten, bei dem acht Menschen getötet wurden. Im Kanton Graubünden sind am 23. August vier Millionen Kubikmeter Gestein vom Piz Cengalo unweit von St. Moritz ins Tal gekracht. Dabei wurde eine gewaltige Schlamm- und Steinlawine ausgelöst. Dabei sind acht Wanderer, darunter ein Ehepaar aus der Steiermark, wahrscheinlich ums Leben gekommen. Die Suche nach den Vermissten wurde wenige Tage nach dem Unglück eingestellt.

Am 10. Oktober ist es, ebenfalls in der Schweiz, im Kanton Uri, zu einem weiteren Felssturz gekommen: Dabei haben Geröllmassen drei Menschen verschüttet. Einer konnte sich selbst befreien und wurde per Helikopter ins Krankenhaus geflogen, zwei weitere wurden vermisst. Die drei hatten in den Bergen bei Ruosalp in der Nähe von Unterschächen rund 100 Kilometer südlich von Zürich am Ausbau eines Alpwegs gearbeitet.

Tauwetter sorgt für Probleme

Das, was in der Schweiz passiert, könnte nur ein Vorbote sein: Denn die Klimaerwärmung ist in den Alpen tendenziell stärker als im globalen Durchschnitt, und das Tauwetter lässt die Berge bröckelig werden. Immer wieder ist es in den vergangenen Jahren zu großen Felsstürzen gekommen, als Grund dafür gilt der auftauende Permafrostboden.

So steigt etwa die Höhe der Null-Grad-Isotherme, jener Linie also, auf der die Temperatur im Jahresmittel bei null Grad liegt. Derzeit liegt diese Isotherme in Österreich auf rund 2300 Metern. Steigt die Höhe, ab der im Mittel Minusgrade herrschen, taut der Permafrostboden auf, und dieser hält die Bergmassive wie Kitt zusammen, obwohl Permafrost nur rund fünf Prozent der Fläche ausmacht.

So kommt es neben vermehrten Steinschlägen und Felsstürzen – und damit zusammenhängenden Alpinunfällen – auch dazu, dass Bauten aufgrund des weicheren Untergrunds instabil werden: Hütten, Forststraßen, Wanderwege, bis zu Seilbahnstützen können so in Gefahr sein. Forscher und Techniker arbeiten da mittlerweile mit hydraulischen Systemen, um dem entgegenzuwirken. Aber die Forschung darüber, was global passiert, wenn der Permafrost taut, steht noch am Anfang.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2017)

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