Russland-Affäre: In die Enge getrieben wütet Trump auf Twitter

REUTERS/Joshua Roberts
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Sonderermittler Mueller, der mögliche Eingriffe Moskaus in den Wahlkampf untersucht, soll bereit für Anklagen sein. Sogar Verhaftungen sind möglich. Der Präsident spricht von einer "Hexenjagd".

Washington. Ungewöhnlich lange hatte der Präsident Vorsicht walten lassen. Doch am Sonntag ließ er es sich nicht nehmen, das heißeste Thema der Innenpolitik zu kommentieren: Der Sonderermittler in der „Russland-Affäre“, Robert Mueller, hat genug Material für erste Anklagen. Schon am Montag könnte es Festnahmen geben, meldete CNN. Es wird ernst für den Präsidenten - und er geht in die Offensive.

Trump holte am Sonntag auf der Kurznachrichtenplattform zu einem Rundumschlag gegen die Demokraten aus: Bei den Vorwürfen handle es sich um eine "Hexenjagd" gegen ihn. Die Zusammenarbeit seines Teams mit Russland sei eine reine Erfindung. „Die Demokraten nutzen diese schreckliche Hexenjagd (die auch unserem Land schadet), für schlechte Politik, aber die Republikaner wehren sich jetzt härter als jemals zuvor dagegen,“ twitterte Trump am Sonntagvormittag. "Alle diese 'russischen' Geschichten genau dann, wenn die Republikaner eine historische Senkung und Reform der Steuern in Angriff nehmen. Ist das ein Zufall? NEIN!", schrieb Trump.

Mueller, ein Ex-Chef der Bundespolizei FBI, war im Mai vom Justizministerium als Sonderermittler ernannt worden. Er soll studieren, ob Trumps Wahlkampfteam 2016 mit russischen Regierungsstellen gepackelt hatte, die zugunsten Trumps den Wahlkampf manipulieren wollten. US-Geheimdienste sind sich sicher, dass Moskau unter anderem abgefangene E-Mails an die Öffentlichkeit brachte, die Trumps Rivalin Hillary Clinton übel aussehen ließen.

Wen wird es wohl treffen?

Mittlerweile haben Mueller und Gehilfen Berge von Akten durchwühlt, Zeugen vernommen und mindestens eine Wohnung – die von Trumps Wahlkampfmanager Paul Manafort – durchsuchen lassen. Am Freitag soll ein von Mueller einberufener Geschworenen-Ausschuss in Washington die ersten Anklagen gebilligt haben.

Gegen wen sie sich richten und warum, war vorerst nicht bekannt. Manafort sowie Trumps ehemaliger Sicherheitsberater, Michael Flynn, gelten als Ziele.

Dass der Vietnam-Veteran und frühere Staatsanwalt Mueller jetzt Anklagen erwirke, deute auf „wasserdichte“ Vorwürfe hin, freute sich eine Bewegung zur Amtsenthebung Trumps. Dessen Feinde sind überzeugt, dass sich der reiche New Yorker von den Russen helfen ließ, um Clinton zu schaden. Das könnte der Anfang vom Ende für den Präsidenten sein, hieß es am Wochenende.

Trump im Nacken

Wie nah Mueller bei seinen Untersuchungen Trump selbst gekommen ist, ist eine der wichtigsten offenen Fragen. Trumps Sohn Donald Jr., Schwiegersohn Jared Kushner und Manafort trafen Juni 2016 in New York eine russische Anwältin, die belastendes Material über Clinton versprochen hatte. Laut „New York Times“ vom Sonntag sagte die Frau, Natalia Weselnitzkaja, etwa, Clinton habe Geld von einer US-Firma erhalten, die in Russland Millionen Dollar Steuern hinterzog.

Der Präsident geriet auch wegen der Entlassung von FBI-Chef James Comey im Mai in Muellers Visier: Es stellt sich die Frage, ob Trump so die Russland-Untersuchungen des FBI stören wollte. Da Mueller frei agieren kann, könnten sich die Anklagen jetzt theoretisch auch auf Delikte beziehen, die nicht direkt mit der Russland-Affäre zusammenhängen. Allgemein wird dennoch erwartet, dass die erste handfeste Aktion Muellers der Russland-Akte gilt.

Umgekehrt forderte Sebastian Gorka, ein früherer Berater Trumps, bereits Muellers Entlassung. Das aber würde eine Verfassungskrise auslösen, weil es als Versuch des Präsidenten gesehen würde, die Aufdeckung von Machenschaften zu verhindern.

Gegenangriffe gegen Clinton

Die Twitter-Attacken deuten an, dass Trumps Lager nervös wird. Während Amerika auf die Anklagen wartet, verstärkten Anhänger des Präsidenten in den vergangenen Tagen ihre Angriffe auf Clinton: Sie – nicht Trump – habe mit den Russen paktiert. Dabei geht es etwa um einen Vertrag von 2010, der einer russischen Firma den Zugang zu Uranbergwerken in den USA sichert. Im Gegenzug habe Moskau viel Geld an die Stiftung von Clintons Mann Bill überwiesen. Überhaupt sei es Clinton gewesen, die mit Russland mauschelte. Die Beweislage der Clinton-Gegner ist jedoch eher dürftig.

Wenige Minuten vor Trumps virtuellem Wutanfall wies der frühere Staatsanwalt Preet Bharara auf CNN darauf hin, dass Trumps Reaktion nun genau beobachtet werden müsse. "Ich würde ein paar Dinge im Auge behalten. Erstens, ob Trump in irgendeiner Art und Weise reagiert, die später gegen ihn verwendet werden könnte, weil Bob Mueller das tun wird", sagte er. "Zweitens würde ich beobachten, ob der Präsident irgendwelche Signale an potenzielle Angeklagte oder Zeugen sendet."

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2017)

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