Leitartikel

Wir fürchten uns vor Schwarz-Blau

KURZ / STRACHE
KURZ / STRACHEAPA/HELMUT FOHRINGER
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Geht das jetzt die nächsten fünf Jahre so weiter? Wahrscheinlich schon. Was immer die künftige Regierung auch machen wird, es wird falsch sein. Alles.

Nach dieser „als Nationalratswahl getarnten Volksabstimmung über die vorwiegend muslimische Zuwanderung“ (© Rainer Nikowitz) werden die Wahlsieger ÖVP und FPÖ nun mutmaßlich eine neue Regierung bilden. Und wie der Autor Robert Menasse in der ORF-Sendung „Im Zentrum“ meinte, werde diese Regierung ihre Wähler in Bezug auf ihr zentrales Wahlversprechen – die Eindämmung der Migration – zwangsläufig enttäuschen.

Und diese Befürchtung Robert Menasses – die für ihn selbst höchstwahrscheinlich keine ist – könnte im Gegensatz zu den vielen anderen, die derzeit geäußert werden, auch tatsächlich eintreten. Wenn jemand illegal hier aufhältig ist, einen negativen Asylbescheid hat, dann hätte er schon bisher umgehend abgeschoben werden müssen. Doch das geschah schon bisher unzureichend und wird auch in der näheren schwarz-blauen Zukunft nicht so einfach sein. Zum einen weigern sich viele Staaten, ihre Bürger wieder zurückzunehmen, es existieren kaum Rückführungsabkommen, und bei vielen illegal Zugewanderten weiß man auch gar nicht, wohin man sie ausweisen sollte. Sie können keinen Pass oder ähnliche Dokumente vorweisen.

Die Zuwanderungspolitik wird jedenfalls jener Punkt sein, an dem die schwarz-blaue Regierung von ihren Wählern in erster Linie gemessen werden wird. Einen Vorteil hat sie dabei allerdings: Selbst wenn sie sich dabei schwertäte, restriktivere Maßnahmen zu setzen, der SPÖ, den Grünen und den Neos traute man solche noch weniger zu.

Ein weiterer umstrittener Punkt eines möglichen Regierungsübereinkommens wäre die Ausweitung des plebiszitären Elements. Es gibt gute Argumente für einen Ausbau der direkten Demokratie, es gibt gute Gründe dagegen. Erstaunlich ist allerdings, dass diese Frage derzeit vor allem aus dem Blickwinkel betrachtet wird, was die schwarz-blaue Regierung damit alles anstellen könnte. Dabei könnte gerade die Opposition, also die SPÖ, diese Möglichkeit nützen und die Regierung – etwa mit linkspopulistischen Forderungen nach Ausweitungen sozialstaatlicher Benefits – vor sich hertreiben. Solche Mobilisierungskampagnen für zwischendurch hat gerade die FPÖ als Oppositionspartei in Form von Volksbegehren immer wieder gestartet.

Zweifellos war die Aufregung im Jahr 2000 (noch) größer. Aber wenn man heute durch die sozialen Medien surft, die es damals noch nicht gegeben hat, verfestigt sich der Eindruck, dass, egal, was die künftige Regierung auch immer tun wird, falsch sein wird. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Man fürchtet sich nun einmal prophylaktisch.

Eine nüchterne Bestandsaufnahme ist nicht jedermanns Sache. Zumal Empörung einem irgendwie auch ein gutes Gefühl vermittelt. Und wenn sich das mit den Gleichgesinnten in den Echoräumen des Internets auch noch teilen lässt – umso besser.

Von Sozialabbau ist beispielsweise die Rede – obwohl es keine konkreten Vorhaben in diese Richtung gibt und der Sozialstaat auch unter Schwarz-Blau I nicht wirklich angetastet wurde. Oder von einer Abkehr von Europa, jüngst schrieb einer in einer deutschen Zeitung sogar, Österreich befinde sich auf dem Weg in die „illiberale Demokratie“. Auch das Phantasma, das rote Wien würde nun vom schwarz-blauen Land ausgehungert – mit Analogien zur Ersten Republik –, passt da hinein. Die Kluft zwischen (dunkler) Vision und Wirklichkeit geht einmal mehr weiter auf.

Was nicht heißt – um das alte Woody-Allen-Bonmot „Nur weil ich paranoid bin, heißt das noch lang nicht, dass sie nicht hinter mir her sind“ aufzunehmen –, dass man alle Bedenken einfach so zur Seite schieben sollte: Wieso die FPÖ beispielsweise mit Anneliese Kitzmüller jemanden in ihr Kernteam für die Verhandlungen setzt, der offensichtlich wenig Berührungsängste zum rechten Rand hat, erschließt sich einem wahrscheinlich auch nur dann, wenn man sich selbst im freiheitlichen Universum bewegt. Eine vertrauensbildende Maßnahme, um den zahlreichen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, ist das nicht gerade.

E-Mails an:oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2017)

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