Über Onlineschnapsen neue Freunde gewinnen

(c) Michaela Bruckberger
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Auf dem Land sollen alte Menschen mithilfe des Internets besser versorgt werden. Die FH St. Pölten entwirft Plattformen, die gegen Einsamkeit bei Senioren helfen: etwa Onlinespiele oder Livestreams aus Rathaus und Kirche.

Onlineschnapsen kann Senioren neue Unterhaltungsmöglichkeiten eröffnen. Das ergab das vom Technologieministerium geförderte Projekt „Brelomate“ (Breaking Loneliness with Mobile Interaction And Communication Technology for Elderly) der FH St. Pölten. In einer Feldstudie mit 33 Teilnehmern im Durchschnittsalter von 70,7 Jahren, die über Basiskenntnisse am PC verfügten, analysierte man, ob und wie Einsamkeit durch mobile Kommunikationstechniken bekämpft werden kann.

„Über das Kartenspiel auf der Diensteplattform haben einige auch neue persönliche Kontakte geknüpft. Sie haben sich im Wirtshaus zum Schnapsen getroffen, miteinander Kaffee getrunken und sich im Krankenhaus besucht“, berichtet Projektleiter Jakob Doppler vom Studiengang Digital Healthcare.

Vereinfachte technische Geräte könnten die Hemmschwellen für ältere Menschen senken, mithilfe des Internets zu kommunizieren. Laut wissenschaftlicher Erhebungen seien 13 Prozent aller 70 bis 79 Jahre alten Menschen von Einsamkeit betroffen. Hier könne das Internet einen Ausweg bieten.

Dazu beginnt im November ein neues Projekt mit der niederösterreichischen Region Pielachtal, die acht Gemeinden umfasst. Unter Einbeziehung kleiner und mittlerer Unternehmen, Vertretern politischer Parteien und verschiedener Experten werden Fokusgruppen gebildet, die Zukunftsstrategien für alte Menschen im ländlichen Raum entwickeln.

Geschäftsleute als Infoquelle

„Wir brauchen eine Digitalstrategie, um die Versorgungs- und Behandlungsqualität auf Dauer sichern zu können“, sagt Doppler. Auch im Pielachtal soll die Plattform „Brelomate“ zum Zug kommen. Unter dem Stichwort „Telehealth“ können Sportwissenschaftler Übungen erarbeiten, die ältere Menschen zu Hause vor dem Bildschirm praktizieren.

Eine weitere Anwendung soll Sozial- und Gesundheitsdiensten ermöglichen, isolationsgefährdete ältere Menschen besser zu betreuen. Sozialarbeiter könnten mit örtlichen Geschäftsleuten und Einzelhandelsunternehmen zusammenarbeiten, um deren Informationen über das Leben ihrer Kunden zu nutzen: beispielsweise, wenn alte Menschen nicht mehr ihrer täglichen Routine nachgingen. „Wenn jemand zweimal seine Semmeln bestellt oder in anderer Hinsicht verwirrt wirkt, könnten die Sozialarbeiter informiert werden und schauen, ob es der Person gut geht“, konkretisiert Doppler.

Angesichts der Fülle an Supermärkten sei es ferner auch im Interesse des Einzelhandels, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Darunter könne auch ein besserer Service für alte Menschen fallen. „Da die meisten Menschen zu Hause bleiben und nicht im Pflegeheim wohnen wollen, besteht ein großer Bedarf an 24-Stunden-Pflege. Auch hier können digitale Möglichkeiten genutzt werden.“

Die Kommunikationsplattform könne auch ans Haus gebundenen Menschen helfen, weiter am politischen Leben der Gemeinde teilzunehmen. „Der Bürgermeister könnte eine Videosprechstunde abhalten. Es könnte darüber abgestimmt werden, was mit dem Geld für den Verschönerungsverein passieren soll. Auch die Weihnachtsmesse könnte gestreamt werden“, erklärt Doppler. „Wichtig ist jedoch, dass die verwendeten Geräte so benutzerfreundlich sind, dass alte Menschen sie einfach handhaben können.“

Lexikon

Onlineschnapsen. Voraussetzungen sind ein Internetanschluss, ein Fernseher, eine spezielle Set-Top-Box und ein Tablet. Die Set-Top-Box für Fernseher wurde eigens von Studenten der FH St. Pölten entwickelt. Über das Internet wird eine Verbindung zu einem anderen Nutzer der Plattform aufgebaut. Sein Bild und eine virtuelle Schnapsenspielfläche erscheinen am Fernseher. Auf dem Tablet sieht man die eigenen Karten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2017)

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